Predigt
Von Krieg und Frieden

- hochgeladen von Mirjam Petermann
Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln.
Jesaja 2, Vers 4
Der Lärm des Krieges weicht dem Klang der Werkzeuge. Die Umkehrung des Jesaja-Wortes findet sich beim Propheten Joel: „Macht aus euren Pflugscharen Schwerter und aus euren Sicheln Spieße! Schwachheit spreche: ,Ich bin ein Held!“‘ (Joel 4, Vers 10)
Der Satz Jesajas wird von dem Joels gewissermaßen auf den Kopf gestellt. Jener spricht vom Frieden, dieser von der Mobilmachung. Die Spannung zwischen beiden prophetischen Aussagen – Jesaja: Frieden durch Gottes Lehre, Joel: Krieg als Gottesgericht – macht die immense Tiefe der hebräischen Bibel aus. Man merkt, wie Frieden nicht selbstverständlich, sondern nur Frucht einer Wandlung von Dingen und Menschen zugleich sein wird. Denn überhaupt: zwischen Werkzeug und Waffe hat sich längst eine enorme Grauzone aufgetan. Der Hammer, mit dem Schwerter in Pflugscharen umgeschmiedet werden – ist er nicht selbst schon Waffe? Zertrümmerte er nicht Abels Haupt und Siseras Schädel? Noch weiter gedacht: Was werden die Völker denn beginnen, wenn sie einander nicht mehr bekriegen können, keine Strategien mehr ersinnen, keine Grenzen mehr verteidigen? Wenn sie „hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen“ – was werden sie stattdessen lernen? Das ist keine rhetorische Frage. Da ist die große theologische Unruhe in allen heiligen Texten. Von der Waffe zum Werkzeug – das wird die Kultur mehr verändern, als man sich bisher vorstellen will.
Der Krieg, so sehr zu verabscheuen, war bisher Motor der Geschichte. Der Anteil der Waffe an der Menschwerdung des Menschen ist groß. Durch Auseinandersetzung wuchs der Mensch aus dem Tierreich heraus – und blieb ihm zugleich verhaftet. Was werden wir beginnen, wenn wir nicht mehr streiten können? Wenn der letzte Feind zum Freund geworden? Das ist der Knackpunkt.
Matthias Schollmeyer, Pfarrer in Mengersgereuth-Hämmern


Autor:Matthias Schollmeyer |
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