KERWA forever (Teil 1)
die Kirchweihfeste Südthüringens

- hochgeladen von Matthias Schollmeyer
KERWA– Die bleibende Mitte des Festes
Die Kirchweih – im Dialekt KERWA – ist in den Landschaften Südthüringens und des angrenzenden Oberfrankens tief im Gedächtnis der Menschen verankert. Sie gehört zu jenen Festen, die nicht nur ein Datum im Kalender markieren, sondern die innere Gestalt einer Gemeinschaft prägen. Die KERWA hat ihre Wurzeln in einem geistlichen Ereignis: der Weihe eines Gotteshauses, der Feier der Gegenwart Gottes inmitten seines Volkes.
Über Jahrhunderte hinweg hat dieses Fest seine Form gewandelt. Auch in den Jahren politischer und geistiger Verdunkelung, in denen die Kirche marginalisiert oder verdrängt werden sollte, ist es nicht erloschen. Es konnte sich in veränderten Gewändern zeigen – als Dorf- oder Heimatfest, als geselliges Beisammensein –, und doch blieb in ihm etwas vom ursprünglichen Sinn verborgen: die Freude über den Ort, an dem der Himmel sich der Erde öffnet.
Es ist wahr: Oft scheint die Kirche selbst, das geweihte Gotteshaus, aus der Mitte des Festes gerückt zu sein. Die Feier läuft weiter, aber der sakrale Ursprung ist aus dem Blick geraten. Man könnte sagen: Die KERWA wird gefeiert, aber ohne Kirche. Und doch ist gerade in dieser Abwesenheit eine stille Gegenwart spürbar. Sie stellt dem Herzen Fragen: Wen feiert ihr? Woher kommt diese Freude? Was ist es, das euch hier zusammenführt?
Diese Fragen sind nicht Vorwürfe, sondern Einladungen. Sie öffnen den Blick für eine tiefere Wirklichkeit, die in jedem Fest gegenwärtig sein kann, wenn der Mensch bereit ist, sie zu hören. Im Sinn des „anonymen Christentums“ Karl Rahners kann man sagen: Wo echte Freude, Gemeinschaft, Dankbarkeit und die Ahnung einer größeren Wirklichkeit erfahren werden, da ist die Gnade Gottes bereits wirksam – auch wenn sie nicht ausdrücklich benannt wird.
So wird die KERWA zu einem Zeichen. Sie bezeugt, dass der Mensch, selbst wenn er den Namen Gottes nicht bewusst ausspricht, doch nach jenem Raum sucht, in dem er geborgen ist. Sie erinnert daran, dass Freude ihre tiefste Wahrheit dort findet, wo sie aus der Begegnung mit dem Ursprung allen Lebens kommt.
Das Fest ist dann nicht nur ein geselliger Höhepunkt im Jahreslauf, sondern eine leise Berührung mit dem Geheimnis. Wenn das Zelt wieder abgebaut wird und der Platz leer ist, bleibt – unsichtbar – eine Spur dieser Berührung zurück. Die KERWA ist so ein Gleichnis für das Leben selbst: Wir bauen auf, wir feiern, wir gehen weiter – und doch bleibt etwas, das uns hält, auch wenn wir es nicht mehr sehen.
In diesem Sinn ist jede KERWA, ob sie es weiß oder nicht, ein Bild der Kirche in ihrer tiefsten Bedeutung: Sie ist der Ort, an dem das Leben gefeiert wird, weil Gott mitten unter den Menschen wohnt.
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.