der Geburtstag des Hans Christian Andersen
(von Meerjungfrauen und Philosophen)

DIE KLEINE MEERJUNGFRAU (erste Illustration von Vilhelm Pedersen - gemeinfreies Bild aus der WKIPEDIA)
  • DIE KLEINE MEERJUNGFRAU (erste Illustration von Vilhelm Pedersen - gemeinfreies Bild aus der WKIPEDIA)
  • hochgeladen von Matthias Schollmeyer

Hans Christian Andersen und Sören Kierkegaard waren einander Zeitgenossen - ob sie sich persönlich gekannt haben? Unglückliche Liebe war beider Thema. Am 4. August ist der 148. Todestag des Märchenerfinders Andersen.
Was gibt es von den beiden Männern noch zu berichten? Kierkegaard hatte einen Diener, der Anders hieß. Wenn man Anders heißt, dann ist man irgendwie anders - fast besonders eben. Andersen war anders. Er erfand sich - und damit uns auch - Märchen, die sehr schön sind, manche gewiss traurig. Oder politisch - z.B. DES KAISERS NEUE KLEIDER. Diese „Kleider” sind allgemein bekannt - wir müssen an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen.

Oder der standhafte Zinnsoldat. Er tut seine Pflicht und fährt auf einem Schiff aus Papier die gurgelnde Gosse hinab. Mut. Der Adel jener Prinzession auf der Erbse verpflichtet bis auf den heutigen Tag. Und das Feuerzeug ruft die unbesiegbaren Hunde herbei, die uns vom Galgen erretten. Ach - das arme Mädchen mit den Schwefelhölzchen nicht zu vergessen - wir müssen es jedoch nicht zu sehr bedauern, denn es ist längst im Himmel bei der Großmutter. Aber die kleine Meerjungfrau gibt uns zu denken … Alexander von Zemlinsky hat ihr Drama in Töne gesetzt. Es tut gut, das zu hören.

Wer mag den Dichter aus Dänemark nicht? Neben Benny, Kjeld und Egon Olsen ist er wohl der bekannteste aus dem freundlichen nördlich gelegenen Urlaubsland mit der frommen Königin Margarete und den beiden unschlagbaren Biersorten Tuborg und Carlsberg. Aber dann ist da noch der andere Däne - Sören Kierkegaard. Seine Familiengeschichte liest sich erschütternd. Nach der Lektüre des WIKIPEDIA-Artikels geht es einem richtig schlecht. Zahlreiche Geschwister sterben als Kinder. Und der Vater denkt, das wäre die himmlische Strafe für eigene früheren Sünden. Solche Schuldgedanken gibt er (ohne es zu wollen) in einer Art täglich frommen Feier an seinen Sohn weiter. Der kleine Sören - und später der erwachsene - hat es in seinem Schicksalsrucksack mit herumschleppen müssen, bis ein relativ früher Tod ihn auf der Straße umwarf. Auch er ist wohl im Himmel angekommen, denn mit der dänischen Amtskirche hat er vorher alle offenen Rechnungen beglichen gehabt. Wir verdanken dem Theologen und Philosophen Kierkegaard eine stattliche Anzahl von Büchern mit ätzend kritischen Schriften für, über und gegen das Staats-Christentum. Selbstquälerische Schuldkult-Eskapaden, wie es sich für norddeutsche Protestanten gehört, sind dabei oft Cantus Firmus oder Generalbass. Die freche Fröhlichkeit lebenszugewandten süddeutschen Katholikentums kannte der Mann aus Kopenhagen nicht. Eine Verlobung mit der schönen Regine Olsen hob er nach ein paar Monaten wieder auf und schickte dem Mädchen den Verlobungsring im Briefumschlag zurück. Und nahm der Frau später dann übel, dass sie sich mit einem lustigen Mann verehelichte, dem Anwalt Johan Frederik Schlegel. Wir machen bedenkliche Gesichter und schütteln die Köpfe. Manche haben es aber auch wirklich schwer ...

Zum Beispiel die kleine Meerjungfrau. Sie liebte den Prinzen mit den schwarzen Augen, aber weiß, dass der nicht auf dem Meeresgrund mit ihr gemeinsam leben kann (Ertrinken). Da lässt sie sich von einer kundigen Meerhexe (böse!) in eine Menschenfrau verwandeln (Zaubertrank). Der Haken dabei ist ihr Fischschwanz. Der wird nun durch Beine mit Füßen ersetzt - aber diese schmerzen bei jedem Schritt (das ist der Preis). Meerjungfrauen haben keine Seele - deshalb leben sie ewig. Menschen haben eine Seele - deshalb sterben sie irgendwann. Die Meerjungfrau wird nur dann ein wirkliches Menschenkind, wenn der Prinz sie liebt. Dann bekommt sie für ihre bisherige Unsterblichkeit im Austausch eine richtige Seele. Liebt der Prinz sie aber nicht, löst das Meerfräulein sich in Schaum auf (anders geht es eben nicht).

Nun - der Prinz heiratet eine andere (Schicksal). Die Meerjungfrau springt beim Morgengrauen nach der fremden Hochzeitsnacht über die Reling des stolzen Schiffes und wird zu rosarotem Schaum (wie von der Hexe vorhergesagt). Aber - und das ist die Rettung - ihre Noch-Nicht-Seele bzw. vertane Unsterblichkeit verwandelt sich irgendwie zu irgendetwas. Und zwar in einen Luftgeist. Der kann den Menschen helfen, zu sich selbst zu finden. Und - vielleicht - wird dadurch ja doch so was Ähnliches draus, wie eine wirkliche Seele es hätte gewesen sein können … (Thema ohne Ende).

Dem armen Kierkegaard hätte Andersens Märchen von der kleinen Meerjungfrau sicher gut getan. Vielleicht wäre der Mann nachdenklich in seiner Kopenhagener Bude gesessen und - wenn der Diener Anders einmal ausgegangen - hätte er zwei Minuten geweint.
Denn Märchen sind heilsam. Sie verwandeln und machen sogar ein bisschen unsterblich. Unsterblich sein - was heißt das? Es heißt nicht mehr, als dass es alles bedeutet …

Autor:

Matthias Schollmeyer

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