Christall
Auferstehungsphantasie

Da liegt er nun in einem reinen Tuche –
als ausgestreckter Leichnam sabbathnah.
Man schloss die Gruft und eilte fort vom Fluche,

der toten Körpern je und je geschah.
Denn gegen die Verwesung hilft kein Schminken,
auch nicht bei Helden, wie von Golgatha.

Grad noch, bevor die Sonne will versinken,
nahm man den Leichnam rasch vom Kreuze ab.
Und als die lieben Abendsterne blinken,

da legen sie ihn in ein Felsengrab.
Still und verhüllt von teurer, feiner Leine,
die irgendeiner ihnen spendend gab.

Es netzt ein wenig Feuchte jene Steine,
auf die der kalte Körper abgelegt.
Tief im Granit beginnt mit feinem Scheine

ein Schimmern: Quarz und Glimmer unentwegt
verschenken ihren Glanz den Körperzellen -
so wird der Sieg des Todes ausgefegt

und heilen langsam alle kranken Stellen
und schließen sich des Blutens rote Quellen.

Wie tauschte der Kristall mit Christ die Säfte,
bis es am Sonntagmorgen ist soweit?
Dann kreisen in dem Leibe neue Kräfte

und gilt erweckt, was war dem Tod geweiht.
Aus reinem Glanz ein andrer Leib ist worden
und trotzt der wilden Brandung Raum und Zeit.

Kein Henker mehr kann den vom Kreuze morden,
der dann die weißen Tücher schlägt zurück.
Wenn heim die Sonne kehrt aus fernem Norden

und wird den Osten röten Stück für Stück.
Da steht er auf, berührt des Steines Platte -
und siehe da, sie weicht wie Wachs zurück.

Der Morgen graut, der Frühlingsvogel hatte
ihn angestimmt mit süßer Melodei.
Und alle Zahlen auf dem Zifferblatte

erzählen uns des Wunders Litanei:
Dass einer von den Menschen wär erstanden -
und diese Botschaft wirkt wie Arzenei:

„Wo sonst in Trauer bloß sich Schatten wanden,
kam heute, Gott sei Dank, der Tod zu Schanden."

Autor:

Matthias Schollmeyer

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