Zum Tode von Bischof i. R. Christoph Demke (1935–2021)
Bischof in turbulenter Zeit

Altbischof Christoph Demke bei der Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 2016 in Magdeburg | Foto: epd-bild/Norbert Neetz
  • Altbischof Christoph Demke bei der Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 2016 in Magdeburg
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Die evangelische Kirche trauert um ihren Lehrer, Kirchenleiter und Bischof Christoph Demke, der wenige Wochen nach seinem 86. Geburtstag heimgerufen worden ist.

Von Axel Noack

Schon vor und auch während seiner Bischofszeit nahm er vielfältige Aufgaben im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR wahr. Zunächst in der Theologischen Kommission und dann als „Leiter des Sekretariats“ (eine Art „Präsident des Kirchenamtes“). Ab 1983 als Bischof der Kirchenprovinz Sachsen (KPS) gehörte er der Konferenz der Kirchenleitungen, dem Leitungsgremium des Bundes, an. Im Frühjahr 1990, mitten im Umbruch, wurde er ihr Vorsitzender und musste an der Auflösung des Kirchenbundes im Frühsommer des Jahres 1991 mitwirken.
In der KPS fiel sein Bischofsamt (1983 bis 1997) in die letzten Jahre der DDR, die Wendezeit und die ersten Jahre in der Bundesrepublik. Also Zeiten mit genügend Herausforderungen. In den letzten DDR-Jahren war eins der meistdiskutierten Themen: “Die Kirche und ihre Gruppen“ (Umwelt-, Friedens- und Menschenrechtsgruppen, aber auch die große Zahl der „Ausreiser“).
Auffällig und in besonders dankbarer Erinnerung ist seine klare Einschätzung der Situation, die Fähigkeit zu schonungsloser Analyse gewesen. Er konnte präzise sagen „was ist“. Den klaren Blick auf die Wirklichkeit verdankte er einer an Gottes Wort geschulten und geschärften Sichtweise. Dabei wird man schrille Töne bei ihm vergeblich suchen.
Im Sommer 1989, in der Zeit, als so viele Menschen die DDR verließen, die Partei- und Staatsführung aber den Flüchtenden „keine Träne nachweinen“ wollte, sandte er eine mutige und klare Analyse in einem Schreiben an die Mitarbeiter unserer Kirche (3. September 1989), welches weite Verbreitung über die Kirche hinaus gefunden hat. Er warf ein Thema auf, das die Diskussionen nach dem Mauerfall und der sich abzeichnenden Wiedervereinigung bestimmen sollte: „Was bleibt?“ Damals freilich noch unter der Perspektive der Wahlmöglichkeit: „Was soll bleiben und was muss sich ändern?“
Ein Jahr später hatte sich der Himmel in dieser Hinsicht – nicht nur in der Kirche – deutlich verdunkelt. Christoph Stier, sein mecklenburgischer Bischofskollege, sprach es auf der EKD-Synode offen aus: „Von uns bleibt nichts, nichts hat Bestand. Wir sind aus der Gefangenschaft befreit, aber wir sind nicht frei, unsere Wege neu zu gestalten.“
Entsprechend groß waren die Probleme der Neugestaltung der Kirche in den Wendejahren. Besonders die Themen mit einem Bezug zum Staat wie Kirchensteuer, Religionsunterricht und Seelsorge an den Soldaten trieben die Kirchen um. Die Wiedervereinigung würde fünf bis sieben Jahre brauchen, mutmaßte Bischof Demke in einem Interview im Mai 1990.
In der KPS war es die Zeit großer Umstellungen im Zeichen düsterer Finanzprognosen, mit neuen Stellenplänen und Stellenstreichungen, mit Gebietsreformen und vielfältigen Verunsicherungen.
Eine besonders harte Herausforderung stellte der Umgang mit den Mitarbeitern und Ältesten (Synodalen) dar, die sich hatten in den Staatssicherheitsdienst der DDR verstricken lassen. Bald wurde die Frage nach einer „Regelüberprüfung“ zumindest aller Pfarrer laut. Solle eine Kirchenleitung, die doch etwas von Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte wusste, allen ihren Mitarbeitern misstrauen und eine Überprüfung fordern? Auf einer Synodentagung in Halle hatten Gruppenvertreter ein Transparent vor ein Fenster gespannt: „Kirche jetzt Gaucken nicht erst beim jüngsten Gericht“. Leider hatten sie recht! Es gehört zu den enttäuschenden Erfahrungen, dass fast keiner der schuldig gewordenen Mitarbeiter von selbst zu einem Eingeständnis gekommen ist.
Was sich durch sein Leben und Arbeiten im Kirchenbund, als Bischof und im Ruhestand unbeirrt gezogen hat, war sein Engagement für eine klare Position unserer Kirche in Friedensfragen. Sein Eintreten für die „vorrangige Option für Gewaltlosigkeit“, für nichtmilitärische Lösungen, Rüstungsbegrenzung und Sicherheitspartnerschaft war unbeirrt. Gerade hier, in einer Zeit, wo sich nahezu alle Parteien im Deutschen Bundestag bei der Steigerung der Rüstungsausgaben geradezu gegenseitig überbieten wollen, wird uns seine Stimme fehlen.
Erst im Ruhestand konnte er sich wieder – auch als Lehrender – der Bibelwissenschaft und besonders dem Neuen Testament zuwenden.

Professor Axel Noack war als Nachfolger Demkes von 1997 bis 2008 Bischof der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen.

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