»Die Bibel ist auch oft politisch« 

Alte »Bekannte«: Schon bei ihrem Studienaufenthalt in den USA besuchte Margot Käßmann 2010 das Martin-Luther-King-Zentrum in Atlanta, der Geburtsstadt des Bürgerrechtlers und Friedensnobelpreisträgers. | Foto: epd-bild
  • Alte »Bekannte«: Schon bei ihrem Studienaufenthalt in den USA besuchte Margot Käßmann 2010 das Martin-Luther-King-Zentrum in Atlanta, der Geburtsstadt des Bürgerrechtlers und Friedensnobelpreisträgers.
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Margot Käßmann würdigt Martin Luther King und verteidigt politische Haltung der Kirchen

In diesem Jahr am 4. April jährt sich zum 50. Mal der Tag der Ermordung des US-amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King. Das Wirken des am 15. Januar 1929 geborenen King stand deshalb im Mittelpunkt eines Gedenkgottesdienstes am vergangenen Sonntag in der Weimarer Jakobskirche. Die Theologin Margot Käßmann würdigte ihn in ihrer Predigt dabei als einen Menschen, der »konsequent
für Gewaltfreiheit« eingetreten sei.
»Er vertrat konsequent die Auffassung, dass sich Konflikte gewaltfrei lösen lassen, in Familien, Gesellschaften, zwischen Nationen«, betonte Käßmann. Kings pazifistische Überzeugung habe in seinem christlichen Glauben und besonders im Bibelvers »Liebet eure Feinde!« gegründet. Feindesliebe sei zwar immer eine Provokation. »Sie stellt sich in Zeiten des Rassismus, des Terrors und in Zeiten des Krieges«, so Käßmann. King habe aber deutlich gemacht, dass gewaltloser Widerstand »keine Widerstandslosigkeit gegenüber dem Bösen, sondern aktiver gewaltloser Widerstand gegen das Böse« sei.
Martin Luther King gilt als bekanntester Vertreter der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. In den 1950er-und 1960er-Jahren engagierte er sich gegen soziale Unterdrückung und Rassismus und bekämpfte die bis dahin übliche Rassentrennung, indem er unter anderem zu zahlreichen Aktionen des zivilen Ungehorsams aufrief. Während des Marsches auf Washington im Jahr 1963, an dem mehr als 250 000 Menschen teilnahmen, hielt er seine berühmteste Rede »I have a dream«, in der er den Traum einer gerechteren Gesellschaft beschwor. Für sein Engagement erhielt King 1964 den Friedensnobelpreis.

Zugleich wies Käßmann die Kritik zurück, Kirchen seien heutzutage zu politisch. »Unsere Kirchen in Deutschland waren auch vor hundert Jahren politisch«, sagte die Theologin mit Blick auf eine kontroverse Debatte zu Weihnachten über den politischen Gehalt von Predigten. Unter anderem hatte der Chefredakteur der Zeitung »Die Welt«, Ulf Poschardt, an Heiligabend getwittert: »Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?«
Käßmann verwies darauf, dass in der Vergangenheit Kirchen Krieg befürwortet und in der Nazizeit viele Kirchenvertreter geschwiegen hätten angesichts der Ermordung von Juden, Sinti und Roma, Kommunisten und Homosexuellen. »Ich bin froh, dass die Kirchen in unserem Land das politische Geschehen heute kritisch begleiten«, sagte Käßmann.
Es sei richtig, dass die Kirchen Krieg und Rüstungsexporte thematisieren. »Das ist Teil der biblischen Botschaft.« Käßmann verwies zudem darauf, dass in der DDR der Prophet Jesaja »geradezu zum Staatsfeind« wurde, weil junge Leute sich seine Vision »Schwerter zu Pflugscharen« auf ihre Jacken nähten. »Im Matthäusevangelium sagt Jesus: ›Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.‹ Da ist es doch klar, dass es auch um die Fremden geht, die uns heute begegnen und die Kirchen sich für ihre Aufnahme einsetzen«, so Käßmann.
Weiter betonte die Theologin: »Die Bibel lässt sich nicht in eine private Nische pressen und zur Beruhigung der Gemüter benutzen, sie ist eben nicht Opium des Volkes, zu dem manche sie gerne machen würden.« Die Bibel habe mit dem Leben der Menschen zu tun, das sei manchmal sehr persönlich, aber oft auch politisch, »weil es in der Politik eben auch um Menschen und ihr Leben geht«, so Käßmann. (epd)

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Online-Redaktion

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