Wort zur Woche
Gottes Gnade: So groß, dass man sich darüber ärgern kann

Foto: privat

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
2. Korinther 13, Vers 13

Aus dieser Grußformel leuchtet mir ein Wort besonders entgegen: Gnade. In der säkularen Welt ist es selten zu hören, es kommt aus einer anderen Zeit zu uns herüber und klingt fremd.
Was verstehen Sie, liebe Leser, unter Gnade? Dass Sie leben, das Geschenk des Lebens erhalten haben? Oder dass Sie mit allen Sinnen wahrnehmen, wie es Sommer wird? Eine junge Frau erzählte mir von einem Autounfall, bei dem sie zwar schwer verletzt wurde, aber zunächst keinerlei Schmerzen spürte: „Das war eine Gnade!“ Ja, in unserem Körper sind Mechanismen eingebaut, die uns in Gefahr schützen können.
Wenn ich gelegentlich einen Artikel über einen Gerichtsprozess lese, frage ich mich manchmal: Wie kann ein Mensch, der ein schweres Verbrechen begangen hat, mit dieser Schuld weiterleben? Nun, diese Überlegung verrät, wie kleinlich ich über die göttliche Gnade denke. Gilt nicht der Zuspruch: Wer seine Sünde aufrichtig bereut, dem wird sie vergeben? Und doch nistet in meinem Kopf der Gedanke: Es gibt Schuld, die so groß ist, dass sie haften bleibt.
Wie beispielsweise mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern umgehen? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Dürfen sie, nachdem sie sich ernsthaft mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt haben, in der Gemeinde einen Platz finden? Neben jenen, die durch sie in der DDR Unrecht und Nachteile erlitten haben?
Ich erinnere mich an die Argumentation eines Pfarrers, der genau diese Praxis verteidigte. Dem verständlichen Unmut und Ärger begegnete er mit einer Interpretation von der Gnade Gottes, die aufhorchen lässt. So sei das mit der Gnade Gottes, sagte er. Sie sei so groß, dass man sich darüber schon wieder ärgert. Nach menschlichem Maßstab kann ein schuldiger Mensch nicht wieder bei Null anfangen. Aber bei Gott ist es anders. Seine Gnade ist so groß, dass man sich darüber sogar ärgern kann.
Sabine Kuschel, Theologin, Dresden

Autor:

Online-Redaktion

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