Freiheit ist mehr als ein Lebensgefühl

Christsein: In der Nächstenliebe und im Engagement für andere sich selbst vergessen

Von Jeffrey Myers

Im vergangenen Sommer hatte ich wieder einmal die Gelegenheit, mich auf die legendäre Route 66, die »Mutter aller Straßen« (John Steinbeck), zu begeben. Die endlose Weite, der grenzenlose Horizont und der offene, einladende Highway – das alles wird zum Inbegriff der Sehnsucht nach Freiheit.
Doch die Freiheit – für viele Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks das höchste Gut – ist weit mehr als eine Landschaft oder ein Lebensgefühl, ein Reiseziel oder ein Traum. Wirkliche Freiheit ist nicht so sehr eine Frage der unbeschwerten Lebensgestaltung, sondern vielmehr eine Einstellung oder eine Haltung, die auf die Erfahrung von Gottes Gnade zurückgeht.
Die Reformation hat die Freiheit in erster Linie als Befreiung und Freimachen verstanden. Wirkliche Freiheit könne es nur geben, so die Reforma-
toren, wenn sie als von Gott geschenkte Freiheit, als ein von Gott selbst eröffnetes Freisein von religiösen Forderungen, wohl auch vom Leistungsdruck begriffen wird. In seiner einflussreichen Schrift »Von der Freiheit eines Christenmenschen« (1520) erkennt Martin Luther: »Ein Christenmensch lebt nicht in sich selbst, sondern in Christus und seinem Nächsten: in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe.«
Unsere Freiheit findet also erst im anderen ihr Ziel. Die Freiheit, über die ich mich einst als Jugendlicher etwa beim Klettern in den Bergen freute, wird später einer reiferen Freiheit weichen, die tiefer und tragender ist. Sie breitet sich aus und festigt sich zugleich, indem ich lerne, mich in der Liebe wie durch das Engagement für andere ein Stück weit zu vergessen. Nicht mehr selber im Mittelpunkt stehen zu müssen, nicht mehr zwanghaft nach Anerkennung zu streben, weil man sich von Gott bedingungslos geliebt weiß – das ist wirkliche Freiheit!
»Zur Freiheit hat uns Christus befreit!« (Galater 5,1) Doch die im Glauben gewonnene Freiheit löst uns Menschen nicht von unseren Mitgeschöpfen. Im Gegenteil. Sie ist nicht ein Ausdruck von Ungebundenheit, wie die Freiheit manchmal romantisch dargestellt wird, sondern sie stellt uns Menschen erst recht in die Verantwortung hinein. Und sie bindet uns an all diejenigen, deren äußere Freiheit, wodurch auch immer, eingeschränkt ist.
Es ist mehr als passend, dass der mutige Reformator zum Zeitpunkt der Reformation seinen Namen von »Luder« zu »Luther« änderte. Mit der Änderung seines Nachnamens signalisiert er auch äußerlich seine innere Verwandlung, also eine Art von Saulus zu Paulus. Durch den gelebten Glauben an Gott in Jesus Christus alleine erfuhr er eine Befreiung von allem, was ihm den Lebensatem genommen
hatte.
Im kommenden Jahr jährt sich der Todestag des Bürgerrechtlers Martin Luther King zum 50. Mal. Verankert in christlicher Hoffnung, erblickte King am Ende seiner historischen »I have a dream«-Rede schon die Erfüllung eines großen Traums – dass wir eines Tages frei werden. Und er wusste wie sein großer Namensgeber, dass man schon jetzt die Freiheit – als Geschenk Gottes – erleben kann.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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