Einkehren, auskehren, umkehren – Jesus geht an die Ränder

Ramón Seliger, Pfarrer in Weimar | Foto: Maik Schuck

Der Menschensohn ist gekommen,
zu suchen und selig zu machen,
was verloren ist.
Lukas 19, Vers 10

von Ramón Seliger

Jesus geht an die Ränder. Bewusst wählt er Zachäus aus, um bei ihm, in seinem Haus einzukehren. Bei den Menschen im Ort heißt es, er sei ein Sünder. Und so verlebt Zachäus seine Tage als ein Ausgestoßener. Die Menschen meiden den Kontakt, sie hassen ihn. Mit dem Eintreiben von Steuern hatte er sich auf dem Rücken der Leute ein Vermögen aufgebaut. Sein Reichtum gründet in der Armut der anderen.
Als nun Jesus in das Dorf kommt, sind die Menschen sich sicher: Zachäus ist der Letzte, bei dem Jesus einkehren würde. Sie täuschen sich. Jesus geht an die Ränder. Er kehrt bei Zachäus ein, und Zachäus kehrt um. Eine Begegnung, die das Leben verändert. Nicht nur das von Zachäus, sondern sicher auch das der Menschen im Ort. Das Ende einer Täuschung. Es gibt ihn nicht, den Ort der Gottesferne, in den Gott nicht mehr hineinreicht.
Wohl gemerkt, es ist nicht die Umkehr oder die Buße des Zachäus, die hier am Anfang steht. Am Anfang steht die Zuwendung Gottes, die bei Zachäus die Umkehr bewirkt. Weil Jesus auf ihn, den Verlorenen, zugeht, kann Zachäus sein Leben verändern. Eine wundersame, eine wunderbare Umkehr. Es ist nicht überliefert, wie die Menschen im Ort auf den Wandel des Zachäus reagiert haben. Ob sie das Geld, das er ihnen zunächst abgepresst hatte und nun zurückgibt, ob sie es annehmen können. Ob sie Zachäus annehmen können oder seinen plötzlichen Wandel als Wendehals stilisieren, auch um sich selbst zu schützen. Wie würden wir entscheiden? Und wo begegnet uns Zachäus heute? Vielleicht in den Gefängnissen, wo die Ausgestoßenen heute leben. Vielleicht in einem Politiker der AfD, dessen politische Meinung ihn stigmatisiert und jedes Gespräch unmöglich zu machen scheint. Vielleicht in dem Nachbarn von nebenan, der auch als Konfessionsloser eines sicher nicht ist: gottlos. Jesus geht an die Ränder. Er durchbricht unsere Vorstellungen von rein und unrein, von dem, wo wir ihn gerne sehen und wo wir ihn niemals vermuten würden. Wohin würde Jesus heute gehen?

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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