Das Leben feiern: Ostern

Ostern steht für die Kraft des Neuanfangs: Der Glaubenskurs der Kirchenzeitung widmet sich den kirchlichen Festen und zeigt, warum sie eine Schule für Lebenskunst sind.

Von Fabian Vogt

In den Ostergottesdiensten rufen diejenigen, die die Gottesdienste leiten, überall auf der Welt in die Gemeinde: »Der Herr ist auferstanden!« Und nach alter Tradition antworten die Menschen dann laut, fröhlich und wie mit einer Stimme: »Er ist wahrhaftig auferstanden!« Ein Jubelruf sondergleichen. Ein Freudenschrei. Ein Glaubensjauchzer. Denn wenn das stimmt, wenn Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden ist, dann gibt es für das Leben keine Grenzen mehr. Dann hat sich Gott stärker erwiesen als alles, was das menschliche Dasein bedrohen und uns Angst machen kann.
Die Auferstehung steht im Zentrum des christlichen Glaubens. Die Geschichte davon, dass am Ostermorgen, zwei Tage nach der Kreuzigung, Frauen zum Grab Jesu laufen und dort völlig verblüfft feststellen, dass jemand den schweren Stein vor der Höhle weggerollt hat – und das, obwohl die Römer dort Wachen aufgestellt hatten. Dann verkündet ein Engel den Frauen … als wäre das das Normalste der Welt: »Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier; er ist auferstanden.«
Und tatsächlich: Jesus zeigt sich in den nächsten Tagen und Wochen vielen seiner Anhängerinnen und Anhänger ganz persönlich. Wundervoll.
Ist das wirklich so passiert? Nun, argumentativ oder gar empirisch beweisen lässt sich dieses schier unfassbare Geschehen sicher nicht. Aber es stellt sich natürlich schon die Frage, warum die ersten Christinnen und Christen ihr Leben für eine selbst ausgedachte Geschichte oder einen frechen Grabraub hätten riskieren sollen. Oder warum ausgerechnet zwei Frauen als Zeuginnen für die Auferstehung erwähnt werden. Deren Aussage galt nämlich damals vor Gericht überhaupt nicht.
Tatsache ist: Die einzigartige Botschaft, dass das Leben stärker ist als der Tod, hat die Welt von Grund auf verändert, weil sie zu einer einzigartigen Quelle der Hoffnung wurde. Das zumindest ist ein Fakt.
Doch auch wenn es sich bei der Auferstehung letztlich um eine Glaubensfrage handelt, geht es natürlich um mehr als darum, ob und wie damals ein toter Mensch wieder lebendig wurde. Ostern erzählt immer auch davon, dass die Hoffnung stärker ist als die Furcht, dass das Vertrauen größer werden kann als die Trostlosigkeit – und dass mancher Neuanfang kraftvoller daherkommt als das Ende.
Wer in diesem umfassenden Sinn an die Auferstehung glauben kann, der wird anders an das Leben herangehen: zuversichtlicher, gelassener und hingegebener; vor allem, weil er eine Perspektive bekommt, die über den Tod hinausweist. Schließlich macht die Auferstehung deutlich: Der Tod hat bei Gott nicht das letzte Wort. Und wenn unser Dasein im Diesseits nicht alles ist, dann gibt es auch keinen Grund mehr, zwanghaft und voller Gier im Hier und Jetzt alles erlebt haben zu müssen. Dann ist ein Menschenleben nur eine Zwischenstation.
Diesen Gedanken finden viele Menschen seit 2.000 Jahren ungemein tröstlich.
Um die Auferstehung bewusst zu zelebrieren, fingen die Gemeinden schon früh an, Ostern im Morgengrauen zu feiern – beim Übergang vom Dunklen ins Helle. Ja, mehr noch: Weil es ja darum ging, den Schritt vom Tod ins Leben nachzuempfinden, entstand bald auch der Brauch der Osternächte …schließlich ging man davon aus, dass Jesus gegen drei Uhr morgens auferstanden sei.
Diese nächtlichen Gottesdienste galten lange Zeit als die wichtigsten im ganzen Kirchenjahr. Man befand sie für so bedeutend, dass über Jahrhunderte überhaupt nur in der Osternacht getauft wurde. Dann bekamen die Taufanwärter in der Passionszeit den Taufunterricht – und gingen anschließend symbolisch mit Jesus den Weg aus dem Grab in die Auferstehung. Durch den Tod in eine neue Form des Seins.
Irgendwann entstand darüber hinaus die Vorstellung, Jesu hätte vor seiner Auferstehung noch kurz in der Unterwelt vorbeigeschaut: »Hinabgestiegen in das Reich des Todes«, wie es noch heute im Glaubensbekenntnis heißt. Dahinter steckt die Vorstellung, dass Gottes Liebe zu den Menschen so groß ist, dass er seinen Sohn auch zu allen gesandt hat, die gestorben sind, bevor sie die Botschaft von der Vergebung und der Zuneigung des Himmels hören konnten. Anders gesagt: Selbst in die größte Gottverlassenheit bringt Gott Leben.
Darauf zu vertrauen, das hilft nicht nur in dunklen Zeiten – eine solche Hoffnung kann der Auslöser für einen mutigen Neuanfang sein. Ostern feiern heißt deshalb vor allem: Ich glaube daran, dass Gott es gut mit mir meint – und dass seine Liebe wahrhaftig kein Ende kennt.

Der Autor ist Theologe, Schriftsteller und Kabarettist

Autor:

Online-Redaktion

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