Die kobaltblaue Vase

Foto: Maria von Landgraf

Eine Erzählung von Hans Orths mit einer Illustration von Maria Landgraf

Im Jahre 1953 ging ich erstmals auf große Fahrt. Mit zwei Freunden, mit Fahrrad und Zelt. Wir fuhren quer durch die Eifel, hinunter ins Moseltal bis Trier, dann die Mosel entlang über Cochem nach Koblenz. Von dort ging es dann rheinabwärts über Köln nach Düsseldorf und Viersen. Wir drei fieberten dieser Reise entgegen. Vorher hatten wir einen genauen
Plan ausgearbeitet, welche Tagesstrecke wir zurücklegen, auf welchen Campingplätzen wir zelten und welche Sehenswürdigkeiten wir besichtigen wollten.
Es wurde dann auch eine sehr schöne Tour, alles klappte wie vorgesehen und mit dem Wetter hatten wir auch Glück. Von den 14 Ferientagen regnete es nur an zwei Tagen. In Cochem blieben wir drei Tage, weil dort gerade Winzerfest war und wir den Abschluss, ein grandioses Feuerwerk, unbedingt sehen wollten, das dann auch wirklich ein beeindruckendes Erlebnis war. Was ich in diesem Zusammenhang nun erzählen möchte, ist Folgendes: Irgendwie war ich vom bekannten Moselstädtchen Cochem fasziniert, und von hier nahm ich dann meiner Mutter ein
Souvenir mit.
Es war eine kleine kobaltblaue Vase mit Goldrand und einigen Verzierungen. In schöner Goldschrift war der Name »Cochem/Mosel« aufgemalt. Sie hat damals nicht sehr viel gekostet, diese Vase, wir waren als junge Burschen knapp mit Taschengeld bemessen. Heute würde man vielleicht sagen, das ist ein kitschiges Andenken gewesen. Doch ich entsinne mich noch genau, als ich meiner Mutter das Väschen überreichte, wie ihr Tränen in den Augen standen. Sie wusste ja, wie abgezählt mein Reisegeld war und dass ich für dieses Geschenk etwas anderes geopfert hatte. Ab sofort nahm die Vase einen Ehrenplatz in unserem Wohnzimmer ein, und mit der Zeit fand ich immer mehr Gefallen an ihr.
Die Jahre vergingen, ich habe geheiratet, drei Kinder großgezogen, und inzwischen ist meine Mutter schon ein paar Jahre tot. Mein Bruder hatte zu der Vase keine Beziehung, es war klar, dass ich dieses Andenken »erbte«. Meine Frau akzeptierte die Bitte meinerseits, der Vase auch in unserem Wohnzimmer einen besonderen Platz zu geben.
Das Souvenir erinnert mich jetzt jedes Mal an meine Mutter und an die Freude, die ich ihr damit gemacht hatte. Und es erinnert mich auch daran, dass Freude schenken eine der schönsten Dinge auf unserer Welt ist. Solche Geschenke kann man nicht oft genug machen.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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