Erinnerung an einen lange Zeit Todgeschwiegenen
BARTOLD ASENDORPF

Der Zeitgenosse von Alfred Ahner, Alexander von Szpinger, Walter Determann, Oskar von Zuborski und anderen, der mit diesen zur "Thüringer Gruppe" gehörte, war in seiner Wahlheimat so gut wie unbekannt. 
Für die Zeit vor der Wende von 1989 ist die Antwort leicht zu geben. Asendorpf starb 1946 im Internie-rungslager Buchenwald II vermutlich an einer Infektion. Wenn man seinen Namen hätte bekannt machen wollen, hätte man auch von seinem Ende reden müssen, und das war tabu. Für die Zeit nach der Wende müssen, was Weimar betrifft, andere eine Antwort geben. 
Ich kenne sein Werk, d.h. einen Teil davon, seit Anfang der 70-ger Jahre. Durch meine Frau, welche die Witwe des Malers, Grete geb. Steinmetzt, eine leidenschaftliche Mutter, als Hausärztin bis zu ihrem Tode betreute, waren mir diese und deren Tochter Bettina verh. Barz gut bekannt. Ich kannte auch eine Reihe von Bildern des
Künstlers, die überall im Hause, Bad Berka, Tannrodaer Straße 12, hingen, ohne dass ich mich tiefer mit seinem
Werk und Schicksal bekannt gemacht hätte. Bis ich eines Tages, auf der Suche nach einem Geburtstagsge-schenk für meine Frau, an die Mappen mit Blättern Asendorpfs geriet, die mich tief ergriffen in einer fast heili-
gen Weise und mich zu einem bleibenden Verehrer machten. Um es gleich zu sagen, nicht alle Bilder sind mir
innerlich zugänglich. Ich schreiben von seinen Blättern, mit Tusche oder Kohle gezeichnet, und von den farbi-gen in Mischtechnik, mitunter mehrfach überarbeitet aus Mangel an Material. Ich schreiben von seinen Bäumen und Wegen, immer wieder mit neuer Sensibilität und Kreativität gestaltet, die ihm zum Sinnbild von
Werden und Vergehen, von Losgehen, Unterwegssein und Ankommen, zum Sinnbild des Leben wurden, oft
von einer geheimnisvollen Traurigkeit berührt. Ich schreibe von seinen Köpfen, den Frauen- und Kinderköpfen,
und von den bärtigen, alten Männern, die wie Propheten den Betrachter anblicken. Doch auch viele seiner Öl-bilder sind mir nahe. Und ich schreibe vor allem nicht als Kunstkenner, der in professioneller Weise Asendorpfs
Stellung in seiner Zeit und der Kunstgeschichte überhaupt einzuschätzen weiß. Ich schreibe als Ergriffener, an-gerührt von der feinen Sensibilität des Künstlers, der auch die Baracke von Buchenwald, in der er lebte, noch bemalt haben soll, und angerührt von seinem schweren Lebensschicksal, das auch nach seinem Tode noch auf ihm lastete. Leben und Werk Bartold Asendopfs sind es wert, dem Vergessen entrissen zu werden!

Die Stationen seines Lebens waren Stettin, Weimar, Berlin, Bad Berka und Buchenwald. Am 14. Mai 1888 in
Stettin geboren als Sohn des kunstsinnigen Kaufmanns Friedrich Asendorpfs aus Bremen und dessen Frau 
Mathilde, die aus der Nähe von Stettin stammte, besuchte der jungen Asendorpf nach Abschluss des Gymnasiums die Weimarer Kunstschule bei den Professoren Thedy, von Hofmann, Schneider, Mackensen und Hagen. Danach lebte er in Berlin, wo er ein eigenes Atelier besaß und erste Ausstellungen sowie Kontakte zu Nolde, Kirchner, Rohlfs, Heckel, Liebermann und Corinth hatte.  Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges einberufen, 
wurde er im März 1915 durch eine Beckenschuss schwer verwundet und ließ sich 1917 nach mehreren Laza-rettaufenthalten, zusammen mit seiner Frau Margarete (Grete), die er 1912 geheiratet hatte, in Bad Berka nieder. Dort bewohnte er ein schönes Haus, nahe am Wald gelegen, das seine Schwester Betty aus Stettin für ihn erworben hatte. Dort hat er die Kinder aufwachsen sehen und ist mit seiner Familie fröhlich gewesen. Dort  hat er mit seiner Frau eine Werkstatt betrieben, in der kunstgewerbliche Dinge hergestellt und verkauft wur-
den. Aber die Jahre in Bad Berka waren von Broterwerb und Mangel bestimmt, denn es waren Zeiten von
Rezession und Inflation , auch wenn er Ausstellungen hatte (Jena, Weimar, Hamburg) und Illustrationsaufträge
zu Goethes "Faust", "Reinecke Fuchs" und "Jettchen Geberts Geschichte" von Georg Hermann. Ein Brief Asen-dorpfs, im August 1930 an den Oberbürgermeister von Weimar geschrieben, gibt ein erschütterndes Zeugnis von seiner bedrückenden materiellen Lage und der seiner Malerkollegen. Asendorpf lebte am Rande des Existenzminimums, obwohl er gelegentlich von seiner Familie unterstützt wurde, und war in dieser Zeit dem Suicid nahe. Dazu kam, dass seit 1930  Paul Schulze-Naumburg  zum Direktor der Weimarer Lehranstalten gemacht wurde, ein nationalsozialistischer Kultur-Terrorist, der Oskar Schlemmers Werke im Werkstattge-bäude des ehemaligen Bauhauses zerstören ließ und 70 Gemälde namhafter Künstler wie Feininger, Dix, Klee,
Kokoschka, Nolde und Barlach in die Keller des Schloss-Museums verbannte! So war auch Asendorpfs künstle-risches Ergehen vorgezeichnet. Seit 1943 hatte er Ausstellungsverbot. Auch seine Werke fielen unter das Verdikt "Entartete Kunst". 1944, mit 56 Jahren, musste A. zum Volkssturm. Er geriet dabei in amerikanische Gefangenschaft, konnte aber fliehen. Vom Todeslager in Bad Kreuznach gezeichnet, waren die wenigen Wo-chen bestimmt von einem wahren Schaffensrausch. Bilder von neuer Farbigkeit entstanden: Stillleben in Öl, Karnevalsszenen in Mischtechnik und Selbstportraits in Pastell und Öl, bevor er bei einer Razzia von Soldaten der Roten Armee verhaftet und nach Buchenwald verbracht wurde. Als Mitglied der NSDAP und früherer Blockwart war A. wohl denunziert worden, und bei der Hausdurchsuchung hatte man eine Pistole gefunden, die der Freund eines seiner Söhne dort versteckt hatte, nachdem dieser aus dem Krieg heimgekehrt war. 
Der 26.02.1946 gilt als der Todestag von Bartold Asendorpf. Es kann sein, dass die Todesursache eine Infektion war. Möglich ist aber auch, dass er erschossen wurde, weil Häftlinge aus der Theaterbaracke, zu der A. gehörte, geflohen waren.
Erst 1948 erfuhr die Familie von seinem Ende. Große Teile seines Werkes konnten 1980 in die BRD überführt
und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Besondere Verdienste um das Werk Asendorpfs hat sich der Schweinfurter Galerist Michael Sauer erworben, dem eine erste Würdigung des Künstlers "BARTOLD
ASENDORPF, 1988-1946, Versuch einer Biographie", 1988 in Schweinfurt erschienen, zu danken ist.

Autor:

Martin Steiger

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