Erstmals musikalisches Wandelkonzert
Friedenslichter für die 267 Opfer eines Bombenangriffs in Erfurt

Das Nagelkreuz im „Ort der Stille“ im Haus der Versöhnung des Augustinerklosters Erfurt  | Foto: Augustinerkloster Erfurt
  • Das Nagelkreuz im „Ort der Stille“ im Haus der Versöhnung des Augustinerklosters Erfurt
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Das Evangelische Augustinerkloster zu Erfurt lädt am 25. Februar (17 Uhr) in der Augustinerkirche zu einer Gedenkandacht für die Opfer eines Bombenangriffs am 25. Februar 1945 sowie für die heutigen Opfer von Krieg und Gewalt und insbesondere des Ukrainekonflikts ein. Gleichzeitig wird für Frieden und Versöhnung gebetet. Das Gedenken ist erstmals in einer musikalischen Friedensandacht als Wandelkonzert mit dem Motto „Verleih uns Frieden“ geplant. Unter anderem wird die Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“ von Rudolf Mauersberger aufgeführt. Beteiligte sind Augustiner-Vocalkreis, Augustiner-Kantorei, Augustinerpfarrer Bernd S. Prigge (Texte), Elieser Kauschke (Orgel) und Ingrid Kasper (Leitung und Orgel), die neue Landeskirchenmusikdirektorin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM).

Die Friedensandacht beginnt in der Augustinerkirche mit dem musikalischen Programm der Chöre. Anschließend sind die Anwesenden eingeladen, unter Taizè-Gesängen in der Versöhnungskapelle für die 267 Getöteten jeweils eine Kerze über den Kreuzgang zu tragen. Mit einer Friedensbitte und dem musikalischen „Verleih‘ uns Frieden gnädiglich“ von Heinrich Schütz endet die Andacht wieder in der Augustinerkirche.

„Wir wollen zum einen an das Leid der damaligen Opfer erinnern“, betont Ingrid Kasper. Passend dazu erklingt die Trauermotette, die Rudolf Mauersberger 1945 nach der Bombardierung Dresdens für den Kreuzchor komponiert hatte – mit Blick auf die Ruinen, darunter die zerstörte Frauenkirche, aber auch zum Gedenken an die vielen Kreuzknaben, die im Krieg gefallen waren und denen in der Motette ein „Seligenchor“ gewidmet ist. „Ein sehr ergreifendes Werk“, betont Ingrid Kasper. Sie hat zudem mit Blick auf den Beginn des Ukrainekriegs vor zwei Jahren das Orgelstück „Via Dolorosa“ des lettischen Organisten Aivars Kalejs ins Programm genommen. „Auch heute sitzen Menschen in Kriegsgebieten wieder in Kellern und suchen Schutz für ihr Leben“, erinnert sie. „Das Gebet für Frieden und Versöhnung ist uns deshalb ebenso wichtig wie das Gedenken“, so Kasper.

Der 25. Februar 1945 gilt als der schwärzeste Tag des Augustinerklosters – damals hatten englische Bomber zwei Luftminen auf das Kloster geworfen. Im heutigen „Haus der Versöhnung“ befand sich der Keller der ehemaligen Klosterbibliothek, in dem 268 Menschen zwischen 3 Monaten und 83 Jahren Schutz gesucht hatten. Die Wucht der Detonation war so groß, dass das Gebäude zusammenbrach. 267 Menschen starben, ein Mädchen und ein Hund konnten gerettet werden. Kurz nach Ende des 2. Weltkrieges begannen couragierte Erfurter mit den Aufräumarbeiten. Bereits 1946 startete der Wiederaufbau der Kirche, des stark zerstörten Westflügels, des Laubenganghauses sowie des Gästehauses. Unter großen Mühen und schwierigen politischen Bedingungen wurde das Kloster Stein um Stein wieder aufgebaut. Die historischen Strukturen wurden dabei bewahrt. Bibliothek und Waidhäuser blieben als Ruinen stehen.

Im Jahr 2002 wurden die Grundmauern der Bibliothek restauriert und teilweise rekonstruiert. Eine Wandscheibe, die vom Einsturz bedroht war, wurde in einer spektakulären Aktion wieder aufgerichtet. Im Sommer 2008 begann der Wiederaufbau mit Kosten von rund 5,1 Millionen Euro. Damit sollte ein Zeichen dafür gesetzt werden, wie wichtig es ist, das Alte zu bewahren sowie Neues zu schaffen. 2010 wurde die Wiedereinweihung der ehemaligen Bibliothek mit einem Gedenk- und Meditationsraum als „Ort der Stille“ im Keller gefeiert.

2008 wurde das Augustinerkloster erstes Mitglied der internationalen Nagelkreuz-Gemeinschaft in Thüringen. Die Lutherstätte ist damit Teil der weltweiten Bewegung für Frieden und Versöhnung. Die Mitgliedschaft wird unter anderem durch eine wöchentliche Andacht freitags um 12 Uhr dokumentiert. Das Nagelkreuz als international bekanntes Symbol ist zum einen am Ort der Stille im „Haus der Versöhnung“ zu finden, hergestellt von Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg. Gleichzeitig wird in der Augustinerkirche ein Originalkreuz von der Nagelkreuzvereinigung aus Coventry präsentiert. Es wurde einst aus Nägeln des verbrannten Dachstuhls der Kathedrale in Coventry gefertigt, die 1940 deutsche Bomber zerstört hatten.

Weitere Informationen im Internet: www.augustinerkloster.de

Autor:

susanne sobko

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