Woher wissen wir etwas über Gott?
Karl Barths Offenbarungsverständnis

- Der evangelische Theologe Karl Barth (1886-1968) während eines Referates in der Evangelischen Gesellschaft in Wuppertal (Foto undatiert).
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Den Text "Das christliche Verständnis der Offenbarung" schrieb Karl Barth 1935/36 für einen Sammelband in Großbritannien. Er unterteilt seinen Text in vier Hauptabschnitte.
I. Einleitung
Wer über das christliche Verständnis von Offenbarung reden will, der muss sich in einen bestimmten Raum stellen: Dieser Raum ist Jesus Christus. Jedes christliche Verständnis ist gebunden an den Namen Jesus Christus. Offenbarung muss also nicht bewiesen werden, sondern sie ist immer schon da: In Jesus Christus.
II. Das Wesen der Offenbarung
Barth beschreibt die Offenbarung in Jesus Christus erstens als etwas Neues, etwas bis dahin völlig Unbekanntes. Zweitens redet er über die Wirklichkeit dieser Offenbarung. Nur die Offenbarung in Jesus Christus kann als wirkliche, tatsächliche Offenbarung betitelt werden. Alle anderen alternativen Offenbarungen sind keine Offenbarungen. Drittens nennt Bart die Möglichkeit der Offenbarung in Jesus Christus. Es handelt sich bei der Offenbarung in Jesus Christus nämlich um eine einseitige Angelegenheit. Nur Gott ist es möglich, die Offenbarung zu kennen und in Gang zu setzen. Der Mensch ist an dieser Stelle von Unmöglichkeit geprägt.
Im menschlichen Denken gehen wir von der Möglichkeit zur Wirklichkeit. Gott geht den umgekehrten Weg: Er schafft zuerst die Wirklichkeit und dann gibt es die Möglichkeit, über ihn zu denken.
Offenbarung findet statt in der Erkenntnis der Person Jesu Christi als das ewige Wort Gottes. Weder unmittelbare noch mittelbare Offenbarung ist außerhalb von Jesus Christus möglich. Barth schließt auch aus, dass man in der Schöpfung das Wort Gottes (also Offenbarung) wahrnehmen kann. Dort wo natürliche Theologie stattfindet, dort werden Götter geschaffen. Es handelt sich bei Offenbarung um Gnade. Gnade in Jesus Christus ist dadurch gegeben, dass Jesus Christus Mensch und Gott war. Nur so konnte Versöhnung stattfinden. Versöhnung beschreibt Barth als einen Tausch, bei dem Gott die Stelle des sündigen Menschen und der sündige Mensch die Stelle Gottes einnimmt. Versöhnung ist Offenbarung, da Jesus Christus bei beiden „Vorgängen“ die zentrale Figur ist. Selbst der Glaube, der auf die Versöhnung folgt, ist Offenbarung.
Zusammengefasst bedeutet dies: Jesus Christus ist die Offenbarung Gottes. Wer die Offenbarung Gottes erkennt, der glaubt.
III. Die Zeichen der Offenbarung
Barth setzt Jesus Christus als die einzige Offenbarung Gottes. Neben ihm gibt es keine Offenbarung. Allerdings redet Barth von Zeichen der Offenbarung, die von der Offenbarung geprägt sind und auf die Offenbarung verweisen. Diese Zeichen stehen im Dienst der Offenbarung, sind gleichsam Instrumente derselbigen, und bewirken, dass man von der Offenbarung als mittelbarer Offenbarung sprechen kann. Barth unterscheidet zwischen primärem und sekundärem Zeichen der Offenbarung. Das primäre Zeichen der Offenbarung ist der Glaube selbst. Die sekundären Zeichen der Offenbarung sind 6 an der Zahl:
1. Die Worte und Taten Jesu. Das Reden und Handeln Jesu auf der Erde kann nicht als Offenbarung verstanden werden, sondern nur als Zeichen derselbigen. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Jungfrauengeburt und die Auferstehung als Wunderzeichen, die die Gottheit Jesu Christi bezeugen.
2. Jungfrauengeburt und Auferstehung.
3. Die Heilige Schrift. Barth nennt als zweites Mittel der Offenbarung die Propheten und Apostel bzw. das alttestamentliche und neutestamentliche Zeugnis. Die Bibel besitzt keine grundsätzliche, sondern eine situative Offenbarungsqualität. So kann eben diese oder jene Bibelstelle zur Offenbarung, also zum Wort Gottes, werden, jedoch erst, wenn Jesus Christus durch das Zeugnis zu und redet. Die Kanonizität der Heiligen Schrift begründet Barth ekklesiologisch: Die Kirche hat den Kanon festgelegt (hier „hat die Kirche bei ihrer Entstehung Jesus Christus reden gehört“) und ihn so zum Zeichen der Offenbarung gemacht.
4. Predigt und Sakrament. Die Predigt kündigt das „je und je gegenwärtige Handeln Jesu Christi an“, während das Sakrament das „ein für alle Mal … geschehene“ Werk Jesu Christi versinnbildlicht. Beide Mittel verweisen auf die schlechthinnige Offenbarung in Jesus Christus und möchten den Glauben an ihn wecken.
5. Gemeinde und Amt. Die Gemeinde ist laut Barth „die sich immer neu konstituierende Versammlung derer, die das Zeugnis der Heiligen Schrift … selbst gehört haben … und sich der Verkündigung verantwortlich wissen.“ Das Amt bezeichnet den Dienst der Weitergabe des Wortes. Auch hier soll Glaube an die eigentliche Offenbarung geweckt werden.
6. Glaubenserfahrung und Glaubensbeweis. Die Offenbarung Jesus Christus zeigt sich in der Erfahrung des Glaubenden: Er wird verändert. Diese Veränderung ist aber keineswegs im Glaubenden selbst zu verankern, sondern nur in Jesus Christus. Die Glaubenserfahrung steht somit nicht auf eigenen Beinen, sondern wird von der Offenbarung getragen und verweist auf diese. Eng verbunden mit der Glaubenserfahrung ist der Glaubensbeweis. Beweisen kann die Erfahrung des Glaubenden die Offenbarung nicht, aber sie kann auf letztere hinweisen. Nur Jesus Christus kann den Glauben als Beweis nutzen.
Letztlich sind alle Zeichen der Offenbarung in der Kirche zu finden. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Kirche das sekundäre Zeichen der Offenbarung ist. Sie soll auf das wahre Wort Gottes, auf Jesus Christus hinweisen.
IV. Das Werk der Offenbarung
Barth betont, dass Jesus Christus selbst das Werk der Offenbarung ist. Es geht nicht um eine bloße Mitteilung göttlicher Wahrheit über das Verhältnis Gott und Mensch, sondern um Sein Christi und sein Werk rund um Kreuz und Grab – Versöhnung. Der Mensch ist insofern beteiligt an diesem Werk, als dass er glaubt. Glaub bedeutet bei Barth das Werk der Offenbarung ansehen, tun geschehen lassen und dienend zu begleiten. Für Barth ist wichtig, dass Gott selbst der Handelnde ist. Gott ist es auch, der die Zeichen der Offenbarung (oben besprochen) aufrichtet und wirksam macht. Man kann also bei diesen vermeintlich menschlichen Dingen nicht von einem menschlichen Werk reden.
Zum Schluss redet Bart über den Zusammenhang von Offenbarung und Eschatologie. Beides gehört eng zusammen, da Christus in beiden Bereichen die zentrale Rolle spielt.
Karl Barths Offenbarungsverständnis hatte einen enormen Einfluss auf die Theologie des 20. Jahrhunderts. Ein kritischer Blick auf Karl Barths Offenbarungsdenken findet sich hier.
Autor:John Schröder |
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