Ausstellung
Bis du schwarz wirst

Die Ausstellung zeigt die verheerende Seuche als ein Jahrtausende altes Menschheitstrauma. | Foto: Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt/Uwe Schulze
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Luthergedenkstätten: Unter dem Titel "Pest. Eine Seuche verändert die Welt" befasst sich eine Schau im Wittenberger Universitätsbau Augusteum mit der Krankheit. Sie schlägt einen Bogen von den frühesten Ausbrüchen der Pest in der Steinzeit bis in die Gegenwart.

Von Nina Schmedding
Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Bewusstseinsstörungen, dazu verfärbte, eitrige Beulen an Hals und Leiste: So äußert sich die Pest. Entsprechend auch die Redewendung, jemandem "die Pest an den Hals" zu wünschen – an dieser Körperstelle trat die Seuche am offensichtlichsten auf.
Die Pest sei "seit Jahrtausenden ein Menschheitstrauma", so der Direktor der Stiftung, Stefan Rhein. Die Seuche habe bis heute Spuren in der abendländischen Kultur hinterlassen und das kulturelle Gedächtnis Europas tief geprägt. So bereiteten die sozialen Unruhen und das erschütterte Vertrauen in die Kirche, die gegen den "Schwarzen Tod" machtlos war, im 16. Jahrhundert auch der Reformation den Weg.
Die bis zum 20. Februar geplante Ausstellung informiert über die unterschiedlichen Erklärungen für die Seuche und die Reaktionen auf ihr Auftreten – wie etwa auch die Suche nach Sündenböcken, die im Mittelalter in Judenpogromen und Hexenverfolgung gipfelte, und das Aufkommen von Verschwörungstheorien.
Das Thema habe "höchste aktuelle politische Brisanz", sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff mit Blick auf die Corona-Pandemie. So stehe der Mensch in der globalisierten Welt in einer Pandemie vor ähnlichen Herausforderungen wie damals. "Man musste sich verhüllen, Abstand halten." Beerdigungen hätten außerhalb der Stadt stattgefunden, Quarantänen wurden verhängt.
Dabei ist die Pest uralt: Erst dieses Jahr konnte an einer 5000 Jahre alten steinzeitlichen Bestattung in Lettland das Pestbakterium nachgewiesen werden, das aber laut Forschern vermutlich keine Epidemie auslöste. Vermutet werde, "dass die Krankheit irgendwann über die Pferde der aus dem Osten einwandernden Nomaden nach Mitteleuropa kam", erklärt Kurator Mirko Gutjahr. Pest und Corona – beides sei auch eine "Geschichte der Angst vor den Mitmenschen". Entsprechend werden in der Ausstellung immer wieder Parallelen zur aktuellen Corona-Pandemie gezogen.
Zu sehen sind 130 Exponate, darunter etwa Grabbeigaben aus dem ältesten Pestgrab Deutschlands von 2200 v. Chr. oder ein "Pestschinken" aus dem 17. Jahrhundert. Mit diesem war laut Sage in dem Ort Friesoythe bei Oldenburg die Pest gebannt worden: Die Menschen dachten damals, dass die Pest in blauen Funken oder Wolken auftrete und versuchten dementsprechend sie mittels Gefäßen einzufan-gen – in diesem besonderen Fall mit einem Schinken. Dunkel-bräunlich zerfasert und recht umfangreich liegt er in der Vitrine der Ausstellung.
Zu den Hausmitteln, mit denen man versuchte, der Seuche Herr zu werden, gehörte auch Tabak: Man glaubte, das Kauen oder Rauchen von Tabak halte giftige Substanzen fern. Auch Kaffee schrieb man eine positive Wirkung zu: So sollte Kaffee-Trinken gegen die Niedergeschlagenheit helfen, die einen Menschen anfälliger gegen die Krankheit machte.
Auch das winzigkleine Bakterium selbst können die Besucher betrachten – wenn auch gut verpackt und für das Auge unsichtbar im Glasröhrchen. "Yersinia pestis" ist nur ein bis drei Tausendstel Millimeter lang und weltweit für Millionen von Toten verantwortlich.
Dass man sich heutzutage mit dem Bakterium infiziert, sei "sehr unwahrscheinlich aber nicht unmöglich", informiert eine Tafel neben der Vitrine. Jedenfalls hat das Max-Planck-Institut für Kolloid und Grenzflächenforschung vorsichtshalber schon mal einen Schnelltest entwickelt – der optisch genauso aussieht wie ein Coronatest.
Die Schau widmet sich auch den kulturellen Überbleibseln der Pest in Kunst und Literatur sowie in zahlreichen bis heute gebräuchlichen Redewendungen. Der Ausdruck "Da kannst du warten, bis du schwarz wirst" etwa spielt auf die Krankheit an: Bei Pesttoten färben sich Finger und Stellen um die Pestbeulen schwarz. Und auch ein freundlich gewünschtes "Gesundheit" geht auf die Pest zuück, so Kurator Gutjahr. Denn erst nach der Pestepidemie im späten Mittelalter kam der Brauch auf, jemandem nach dem Niesen "Gesundheit" zu wünschen. (kna)

Die Ausstellung zeigt die verheerende Seuche als ein Jahrtausende altes Menschheitstrauma. | Foto: Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt/Uwe Schulze
Blick in die Ausstellung: Leid und Tod brachte die Seuche mit sich. Noch heute hat sie viele Spuren in der abendländischen Kultur hinterlassen.
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