Eine Schwester fingerte an Zu- und Abläufen
PETER WEISS AUS T.

Ich sah ihn im Bett
und hatte ihn lieb:
alt, grau, verhutzelt, buschig,
grob, fremd und doch schön.
Die Jahre hatten Spuren
hinterlassen. Eine Schwester
fingerte an Zu- und Abläufen.

Wir kannten uns nicht. Bloß
weil ich ein Pastor bin,
deckte er sein Leben auf,
feuchten Auges,
voller Vertrauen.

Als wir beteten, hielt ich
seine kräftigen Fäuste.
Als ich ihn segnete,
berührte er ungelenk
mein Gesicht, im Blick
reine Liebe. Nicht immer
ist Gott so nah!

FÜR MARIA MÜNSTER

Der Tod hat einen Geruch,
ich wusste es nicht. Allesamt riechen Babys
nach dem Paradies. Die Düfte der geliebten
Frau, wer wollte sie je vergessen?
Der Tod hat einen Geruch. Er riecht nicht
gut: der Verwesung Anfang.

Als ich gerufen wurde, lange nach Mitternacht,
schlug er mir entgegen. Da hatte eine rufen lassen
nach einem, der mit ihr ging, und war schon
auf dem Weg. Ich wusste nicht, wie? Und immer
wieder ein Ton, der abgeschaltet werden musste,
alle 30 Sekunden oder weniger.

Nachdem Gewöhnung eintrat, stiegen wir in die Tiefe
von Dank, Schuld und Vergebung eines Lebens,
das ich nicht kannte, -las ich von den Pretiosen
der Schrift, -sang ich auch diese und jene Strophe.
Es muss der rechte Weg gewesen sein. Denn eine
halbe Stunde nach meinem Weggang war sie
friedlich entschlafen...

TRISHAGION

Manchmal ist alles ganz einfach. Ich werde gerufen, 
fahre einige Kilometer Richtung Süden, laufe durch
eine Klinik, die sich völlig verändert hat, finde den
Patienten, der um ein Gespräch ersucht hatte, und
wir lassen uns aufeinander ein. 

Probleme über Probleme, Schuld aufgetürmt
bergeweise, beinahe hätte er seine Frau umgebracht,
Scheidung, Schulden, Ängste, ohne Arbeit. Ich sage
wenig, weiß nur seinen Allerweltsnamen, ziemlich
verfahren alles.

Aber mittendrin, zwischen Reden und Schweigen,
Fragen und Antwortsuchen, hat sich auf einmal
DAS GLÜCK  eingefunden, füllt wie selbstverständlich
den Raum, dreimal heilig, wir spüren es beide.
Ich fahre zurück, froh beschwingt!

FÜR KLAUS G.

Da hängst Du also immer noch an der Maschinerie
der Medizin: Schläuche, Behälter, Impulse, Messungen,
Kurven. Auch Menschen sind bei Dir, geschäftig und
gelassen. Das ist ihre Arbeit täglich. 
Mit klaren Strichen umreißt der OA Deine Chancen. Sie
sing gering, minimal, eigentlich ohne. Da müsste schon ein
Wunder, und die sind selten... Hirntod so gut wie festgestellt,
nur noch nicht gänzlich, da noch keine 24 Stunden nach OP,
Vorschrift, alles nach Muster.

Das Problem für die Familie, dass der Angehörige aussieht, als
schliefe er nur: das Herz schlägt, der Körper ist warm, jeden
Moment könnten sich öffnen die Augen. Könnten!

Unlängst erst saßen wir über dem Wort zusammen. Du, älter als
ich, 61 Jahre, beteiligt, dynamisch, gut erhalten. Vorgestern noch
gingest Du mit Deiner Frau durch Winterlandschaft, innerlich
beschäftigt mit dem Gemeindesonntag. Dein Sturz eine Lappalie,
- eine mit Folgen. Es schien alles nicht so bedrohlich: Sophienhaus,
sicher ist sicher. Doch dann Schmerzen, Eintrübung, Weitertransport
mit starrer Pupille, Blutung im Bereich des Stammhirns, ausgeräumt,
Leben an der Maschine. Wie lange? 
"Mitten wir im Leben sind, von dem Tod umfangen..." Ja gewiss.
Ich bete mein Gebet, lege den Segen Dir auf die Stirn, höre meine
Stimme als die eines  Fremden. Von Trost und ewiger Freude spricht
sie. Mein Trost: Deine Kinder. Wie E. an Deinem Bett steht, mit Dir
spricht, liebende Verlässlichkeit. Du solltest sie sehen! -Vielleicht
siehst Du sie ja?!
IHR GLAUBE RICHTET MICH AUF!

Autor:

Martin Steiger

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