»Geschlossene Kirchen sind ein Unding«

Gewissheit: Die erlebbare Gegenwart Gottes ist für Pfarrer Spengler unendlich wertvoll. | Foto: Katharina Hille
  • Gewissheit: Die erlebbare Gegenwart Gottes ist für Pfarrer Spengler unendlich wertvoll.
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Stadtkirche Bad Berka ist immer offen und Anlaufpunkt für ein breites Publikum

Von Katharina Hille

Verlässlich geöffnete Kirche«, wiederholt Pfarrer Ulrich Matthias Spengler nachdenklich. Dann erzählt er, wie er kürzlich von solch einem Schild angelockt wurde – und doch war die Kirche zu. »Da ist es besser, man stellt kein Plakat vor die Tür, aber die Kirche ist trotzdem offen!« So praktiziert er es seit 2011 in seiner Kirche in Bad Berka: Die Klinke müssen die Besucher schon selber drücken.
Wen oder was suchen die Gäste der Evangelischen Stadtkirche der kleinen Kurstadt an der Ilm? Die Stille, die Ruhe, Rast vom Alltag, von den Sorgen um die eigene Gesundheit oder um die der Angehörigen? Mancher bleibt interessiert stehen, wenn morgens die Kirchentür aufgeschlossen wird, und es ergibt sich sofort ein Gespräch. Manche huschen abends noch schnell rein. Dann lässt Pfarrer Spengler das Gotteshaus noch eine Weile offen oder macht spontan eine Führung.
Das Gästebuch im Eingangsbereich von »St. Marien« verrät bruchstückhaft etwas über seine Schreiber. Die ersten Einträge stammen von zwei Brasilianerinnen. Beim Weiterblättern stößt man auf Einträge von Besuchern aus den USA, aus England, Polen, der Schweiz und Holland, aus Hof, Braunschweig, Jena, Offenbach. Dank für überstandene Krankheiten, für die Konfirmation vor 70 Jahren oder die Kindheit in Bad Berka, Bitten um Genesung oder Versöhnung in der Familie. Für manche Anliegen entzündet der Pfarrer eine Kerze.
Pfarrer Spengler vermutet, dass Einheimische seine offene Kirche eher nicht außerhalb der Gottesdienste nutzen würden. Vielmehr die Gäste der Kurkliniken, des stationären Hospizes oder Krankenhauspatienten und deren Angehörige. Auch Wanderer und Touristen. Ruhe suchende, Stille genießende, zuweilen auch Seelsorge erhoffende Besucher. Die offene Tür betrachtet er als Angebot. Viel Organsiation braucht es dafür nicht. Jemanden, der auf- und zuschließt. Ein Gästebuch und ein Briefkasten für mehr oder weniger anonyme Botschaften. Eine bescheidene Bitte um Spenden für den Erhalt der Kirche. Der Opferstock wird täglich geleert und bringt im Jahr zwischen 800 und 900 Euro ein. Alles insgesamt nicht spektakulär, keine Aktion, kein Projekt. Einfach offen.
»Eine geschlossene Kirche ist für mich schlicht ein Unding«, sagt Spengler, der mit seiner Familie 2008 nach Bad Berka kam. Vandalismus oder Diebstähle fürchtet er nicht sehr. »Natürlich ist es ärgerlich oder verletzend, wenn unsere offene Tür missbraucht wird«, sagt er, und natürlich müsse man Kunstgegenstände sichern. »Aber im Vergleich zur Zahl der geöffneten Kirchen ist die Zahl der negativen Vorfälle verschwindend gering. Den größten Schatz einer jeden Kirche, die erlebbare Gegenwart Gottes, kann niemand stehlen!« Dass Spengler ihnen diesen Schatz Tag für Tag zugänglich macht, dafür sind die Gäste dem Pfarrer der Kurstadt dankbar. Katharina Hille

Autor:

Adrienne Uebbing

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