Ein Gefängnis wird zum Ort der Freiheit

Wandmalerei des chinesischen Künstlers Sun Xun: Ihn interessiert, wie geschichtliche Ereignisse reflektiert werden. | Foto: Sun Xun
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Internationale Gegenwartskunst trifft auf Martin Luther, den Avantgardisten seiner Zeit. Ein Rundgang durch die Ausstellung »Luther und die Avantgarde«.

Von Sabine Kuschel

Ein ehemaliges Gefängnis wird zu einem Ort der Freiheit, der künstlerischen Auseinandersetzung mit der geistigen Freiheit. Am 19. Mai öffnet das Alte Gefängnis in Lutherstadt Wittenberg seine Türen für die Besucher und präsentiert bis 17. September in der Ausstellung »Luther und die Avantgarde« zeitgenössische Kunst. Der Reformator steht nicht als historische Person im Vordergrund. Er dient als Denkmodell, als Ideengeber und wird als Avantgardist seiner Zeit verstanden. Luther habe die Religion und die Sprache revolutioniert und die Welt verändert, so Kuratorin Dan Xu. Die Ausstellung im Alten Gefängnis in Wittenberg frage nach der aktuellen Bedeutung der Reformation und zeige dabei die Perspektive der Kunst.
70 Künstlerinnen und Künstler aus fünf Kontinenten setzen sich wie einst Martin Luther mit gesellschaftlichen Themen auseinander. Der Ausstellungsort, das Alte Gefängnis in Wittenberg mit seiner rustikalen Atmosphäre, ist außergewöhnlich. Die ehemalige Haftanstalt wurde eigens für die Ausstellung öffentlich zugänglich gemacht. Jeder Künstler gestaltete eine der auf drei Etagen befindlichen Zellen. Zu sehen sind Gemälde, Skulpturen, Installationen, Wandmalereien, Fotografien, Filme und Videos.
Mehrere Künstler nehmen Luthers Bibelübersetzung zum Anlass, sich der Sprache zuzuwenden. Die Wände im Treppenaufgang zieren chinesische Schriftzeichen. Es sind Schriftzeichen, die in China verboten wurden und deshalb verloren gingen. Etwa zwei Drittel der traditionellen Schriftzeichen seien aus dem Schrift- und Sprachgebrauch verschwunden. Die chinesische Künstlerin Jia wolle zeigen, wie mit dem Verlust der Schriftzeichen zugleich Kultur und Tradition in ihrem Land verloren gegangen sei. Der Text aus diesen Schriftzeichen, der sich den Treppenaufgang des Gefängnisses hinaufzieht, ist ästhetisch ansprechend, er sei jedoch bedeutungslos, so Kuratorin Xu.
Ein Roboter schreibt in handschriftlicher Kalligrafie die gesamte Bibel ab, eine Arbeit, die früher Mönche erledigten.
Xu Bing, ein chinesischer Künstler, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Sprache und Schrift. Er schuf eine Sammlung von Büchern mit Schriftzeichen, ähnlich den chinesischen, die jedoch keine lesbare Bedeutung haben. Im Gegensatz dazu enthält sein »Book from the ground« Bildschriftzeichen, Emojis, die jeder Mensch interpretieren kann. Das 2014 veröffentlichte Buch ist als erstes belletristische Werk nur mit Emojis als Schriftzeichen geschrieben. Für die Ausstellung in Wittenberg übersetzte Xu Bing die Bibel in eine Symbolsprache.
Sun Xun, ebenfalls ein chinesischer Künstler, wuchs in der Zeit unmittelbar nach der chinesischen Kulturrevolution auf. Wie Kuratorin Dan Xu sagt, beeinflussen diese Erfahrungen seine Arbeit. Ihn interessiere, wie geschichtliche Ereignisse von den Menschen wahrgenommen und von den Medien dargestellt werden. Mit Luther habe er sich aus der Distanz heraus beschäftigt und gehe der Frage nach, was die heutige Lutherbibel mit der von damals zu tun habe.
Thema der tschechischen Künstlerin Eva Kotátková ist die Anatomie des menschlichen Körpers. In ihren Arbeiten geht es darum, wie Regeln, Erziehung, Konventionen und Kon­trollmechanismen auf den Menschen wirken. In Wittenberg präsentiert sie Folterinstrumente, unter anderem eine zur Foltermaschine umgebaute Druckmaschine.
»Licht ins Dunkel bringen« ist das Thema der Arbeit von Monica Bonvicini, einer Lichtinstallation.
Neben den genannten präsentieren auch bekannte Künstler wie Ai Weiwei, Stephan Balkenhol und Günther Uecker ihre Werke. Zum Teil wurden die Arbeiten eigens für die Ausstellung angefertigt, einige entstanden vor Ort oder wurden gezielt ausgewählt. Die künstlerischen Reflexionen kreisen um Themen wie Freiheit und deren Gefährdung, Demagogie und Widerstand, Verantwortung und Toleranz.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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