Rechts abgebogen

Amtsanmaßung: Der ehemalige sächsische Pfarrer Thomas Wawerka in Talar und Beffchen im Dezember 2016 vor dem Kanzleramt in Berlin bei einer von Rechtspopulisten organisierten Veranstaltung. | Foto: epd-bild
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  • Amtsanmaßung: Der ehemalige sächsische Pfarrer Thomas Wawerka in Talar und Beffchen im Dezember 2016 vor dem Kanzleramt in Berlin bei einer von Rechtspopulisten organisierten Veranstaltung.
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Der Auftritt des ehemaligen Pfarrers Thomas Wawerka auf einer sogenannten Mahn-
wache am Bundeskanzleramt kurz nach dem islamistisch motivierten Anschlag auf einem Berliner Weihnachtsmarkt sorgte für Aufregung. Medien bezeichneten ihn als »Pegida-Pfarrer«. Was ist da passiert?

Von Andreas Roth

Ich kenne Thomas, aus Studientagen. Wir beide: lange Haare, Big-Lebowski-Humor, Biere im sommerlichen Garten, irgendwie links und liberal. Thomas fand, dass die Grünen das Deutsche vergessen haben. Ich fand die Grünen sehr deutsch.
Später verloren wir uns aus den Augen. Bis ich eine Reportage über eine der ersten Pegida-Demonstrationen schrieb, und Thomas mir in einer E-Mail antwortete: »Meine volle Sympathie und mein ganzes Herz hatte die Bewegung, weil hier die Underdogs gegen ein repressives System aufstanden. Ich war einer von ihnen.« Underdogs, unterlegene Hunde.
Pegida war mir fremd und kalt geblieben. Mit den unterlegenen Hunden aber und Thomas’ Worten klang etwas Vertrautes an. Ein rebellischer Geist. Ein Sinn für die Verlierer. Thomas hatte ihn, schon als Kind im Vogtlandzipfel um Adorf. Oft krank, in der Stube, lesend und über den Sinn des Lebens nachsinnend, während andere zur Disco gingen.

Zwischen den Stühlen eingerichtet
»Zwischen den Stühlen habe ich mich auch ein bisschen eingerichtet und dieser Platz macht mir bisweilen einen diebischen Spaß«, sagt er. »Der Geist, der stets verneint, birgt Erkenntnisgewinn.« Ein unbändiger Drang nach Freiheit wohne in ihm, sagt er. Ich kenne das. Aber irgendwann scheint Thomas anders abgebogen zu sein.
Er war gerade Pfarrer in Frohburg geworden, da spazierte er bei Pegida und Legida mit. Suchte das Gespräch mit Verbitterten, die sich inmitten der Willkommenskultur von ihrer Kirche abgekanzelt fühlten. Er teilte ihr Gefühl. Und es war mehr als das: Es war auch Theologie. »›Bunt‹ und ›weltoffen‹ – immer dieselben Bubble-Words, überall, jederzeit «, empörte er sich im Februar vor zwei Jahren im Internet. »Schmeißen wir doch die Bekenntnisse alle weg und machen eine Bunte Kirche für alle, ohne Inhalte, schlichte Wir-haben-uns-alle-ganz-dolle-lieb-Sentimentalität!«
Soweit die Polemik. Der Kern seiner Kritik aber ist ernst: »Die evangelische Kirche hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Sie trat an mit klaren geistlichen Lehren, die moralisch und politisch eine große Freiheit zuließen wegen der Gewissheit, dass wir Sünder sind und Vergebung erhoffen. Heute dagegen gibt es auf der Seite der Lehre völlige Beliebigkeit und auf der Seite der Moral klare Dogmen. Das hat meinen Zorn erregt.« Die Kirche lasse sich von der Willkommens-Politik instrumentalisieren. Davon ist er überzeugt.
Er begann, im Internet Artikel des rechten Intellektuellenmagazins »Sezession« zu kommentieren. Thomas versinkt im braunen Sumpf, dachte ich. Und begann zu recherchieren. Und nach Rassismus zu fahnden. Was ich las: Wie einer auch dort wieder zwischen den Stühlen Platz nahm. Gegen markiges Stiefel-Poltern setzte er geschliffene Gelehrsamkeit. »Kein Mensch ist mehr oder weniger wert«, so hielt er den christlichen Glauben den Rassisten unter den Abendlandsbewahrern entgegen. »Klarheit bekomme ich übrigens nur durch Differenzierungen.« »Wehrkraftzersetzung« und »Verrat«, donnerte es zurück.
Der Herausgeber der »Sezession«, Götz Kubitschek, einer der führenden Köpfe der Neuen Rechten, sah das offenbar anders. Oder er witterte die seltene Chance, einen Pfarrer für seine Bewegung zu gewinnen. Er lud Thomas Wawerka auf sein Rittergut in Schnellroda im Saalekreis (Kirchenkreis Merseburg) ein. Mit Vorbehalten fuhr der Theologe hin. Heute nennt er Kubitschek seinen Freund.

Angst vor Islamisierung Deutschlands
Was ihn anzog: Werte, die Grenzen setzen und Halt geben. Die klassische Familie, deren Leerstelle ihn als Geschiedenen schmerzt. Der Begriff des Volkes als eine Gemeinschaft mit gemeinsamer Geschichte, ohne andere Völker abzuwerten. »Steht nicht in der Bibel: In dir sind gesegnet alle Völker?« Dazu eine Angst. Die vor einer »Islamisierung Deutschlands«. Was ihn am schneidigen Kubitschek noch anzog: Klarheit, Mut zum Pathos, zu Ehre und Männlichkeit, frei von liberaler Ironie und Lässigkeit.
Ich verstehe auch das. Und komme mir dabei ganz weich vor. Liberal. Manchmal verfluche ich das an mir. Die Ironie, all das Versteherische und Abgehangene. Wenn aufrechte Pathosmenschen regieren, haben weiche Vielversteher womöglich nichts mehr zu lachen. Und viele andere auch nicht mehr. Mitten im Gespräch kann Thomas auf strenge Kasernenhofstimme umschalten, dann lächelt er verschmitzt. Er ist der Ironie noch nicht entkommen. Und ich kann nicht anders, als mich darüber zu freuen.
Anfang September letzten Jahres meldete sich Thomas wieder per E-Mail bei mir. »Ich bin kein Pfarrer mehr«, schrieb er. Was ist da nur passiert?, schrieb ich zurück.
»Nein, in seinen Predigten war nie etwas Politisches«, sagt Jens Scheffler, der Vorsitzende des Vorstandes des Kirchspiels Frohburg. Er lobt die gute Jugendarbeit des Pfarrers, auch seine Gottesdienste. Weihnachten predigte der Pfarrer über ein getauftes irakisches Flüchtlingspaar mit Namen Joseph und Maria, das mit seinem behinderten Kind im nahen Borna Zuflucht gefunden hatte. Als Abschiebung drohte, schrieb er mit seinem Glaubenskurs Proteste und war bereit zum Kirchenasyl.
Was passiert war, war weder rechts noch links. Thomas Wawerka nennt die Gründe selbst und er nennt sie als Allererster: Überforderung und Einsamkeit hießen die Mühlsteine, zwischen denen er als Landpfarrer mit fünf Gemeinden zerrieben zu werden drohte. Und mit denen er auch andere rieb. Am Ende wurde er nach drei Jahren Probedienst nicht als Pfarrer übernommen.

Wawerka will sich nicht vereinnahmen lassen
»Was nun? Wie geht es weiter für Sie?«, fragt die neu-rechte Zeitschrift »Sezession« Thomas Wawerka nach seinem Rauswurf auf Samtpfoten. Es klingt wie eine Einladung. Er erzählt ihr etwas von einer Vision einer kleinen Kommunität, die »im Rahmen eines traditionellen, kulturell selbstbewussten, heimatverbundenen Christentums lebt und arbeitet«. Man klatscht ihm freudig Beifall. Aber Thomas, wird das nicht mancher Nazi zu gern als Auferstehung des unseligen Deutschchristentums verstehen?
Als er sah, welche Fans ihm da plötzlich zuwuchsen, verwarf er diese Idee schnell. Als Götz Kubitschek ihn im September angesichts von linken Protesten gegen sein Institut für Staats­politik in Schnellroda um eine Friedensandacht bat, antwortete er: »Ich will nicht, dass Sie denken, dass ich Ihr Pfarrer werde. Ich muss auch Sie kritisieren können, wenn Sie etwas gegen das Evangelium sagen oder tun.« Kubitschek schluckte und akzeptierte.
Schon warb die AfD um Thomas Wawerka als Bundestagskandidaten. Ich nicke, klar, der Mensch muss sein Geld verdienen. Thomas aber lehnte wieder ab. Er sagt, er wolle seine Seele nicht verlieren.

Amtsanmaßung: Der ehemalige sächsische Pfarrer Thomas Wawerka in Talar und Beffchen im Dezember 2016 vor dem Kanzleramt in Berlin bei einer von Rechtspopulisten organisierten Veranstaltung. | Foto: epd-bild
Die Wirmer-Flagge wird als »neo-konservatives Kampfzeichen« in rechtsextremen und -populistischen Gruppen verwendet. Thomas Wawerka hat sie auf seiner Facebook-Seite. | Foto: Screenshot G+H
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Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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