Kinder in Watte packen?

Die Autorin im Alter von 3 Jahren | Foto: privat
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Von Willi Wild 

Pro Ich glaube, ich habe die falsche Seite gewählt. Wattepacker sind uncool, übervorsichtig, und unser Kind findet meine Position vermutlich peinlich. Zumal ich in einer Zeit aufgewachsen bin, in der wir noch ohne Helm Fahrradfahren lernten oder ich als Fünfjähriger auf der Hutablage im Heck unseres Autos, einen Kindersitz gab es nicht, in den Urlaub transportiert wurde.
Ruth Hartmann verdankt mir eine Zahnlücke, weil sie beim unbeaufsichtigten Fangenspielen stürzte. Das tut mir 45 Jahre danach noch leid. Entschuldigung, Ruth. Vielleicht ist das ein Grund, warum ich als Vater einer Tochter die Watte der langen Leine vorziehe.
Seit unser Kind auf der Welt ist, ist meine Vorstellungskraft bezüglich mög-
licher Alltagsgefahren grenzenlos. Wenn der Säugling nachts ruhig im Bettchen lag, konnte ich nicht schlafen. Atmet sie noch, bekommt sie Luft? Erst wenn sie wieder schrie, war ich beruhigt. Auf dem Klettergerüst folgte ich ihr, trotz meiner Höhenangst, auf Schritt und Tritt. Ein Schutz war die vermeintliche Watte leider nicht. Beim Spielen mit der Freundin ist sie aus dem Baumhaus zwei Meter in die Tiefe gestürzt. Glück gehabt! In einem unbeobachteten Moment hat sie die Blätter vom Ficus Benjamini genascht. Danach furchtbar geschrien. Lektion gelernt. Mag sein, dass das »In-Watte-Packen« nichts nützt, es schadet aber auch nicht.

Von Katja Schmidtke

Kontra Natürlich haben wir die Steckdosen gesichert und zerbrechliche Vasen, die teure Fotokamera und unsere Hausbar in höhere Regal-Etagen verlagert, als unsere Tochter mobil wurde. Aber ein Laufgitter gab es bei uns nie. Dieses Wort schon, Laufgitter! Entweder man läuft oder man sitzt hinter Gittern.
Wir haben unserer Tochter stattdessen Freiräume zugestanden und merkten schnell: Das Kind weiß schon selbst, was es kann.
Als ihre Kitakumpel mit anderthalb Jahren das Klettergerüst eroberten, hockte sie unten im Sand. Vier Monate später konnte sie es, sie kletterte allein hoch und kam per Rutsche wieder herunter.
Kommt es mal zu Kabbeleien im Sandkasten, mische ich mich nicht ein – außer, eine Schippe wird gewaltig zweckentfremdet. Dass wir unsere Tochter nicht in Watte packen, habe ich aber mit einem hohen Lehrgeld bezahlt. Einen sprich-wörtlichen Augenblick nicht aufgepasst; die Millisekunde reichte, dass die Zweijährige, die gern auf dem Hochstuhl steht, um mir in der Küche zu helfen, einen Salto hinlegte und auf den Fliesenboden stürzte. Wir haben uns beide erholt, sie vom Sturz, ich vom Schrecken.
Ich packe sie auch jetzt nicht in Watte, stattdessen bin ich achtsamer. Und das Kind klettert inzwischen wieder.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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