Bäcker Lück hört auf sein Brot

Auf die Krume kommt es an. Das Klappenbrot aus Sauerteig (oben) ist der Klassiker. Die »Brotklappe« hat ihren Namen noch aus den Anfängen, als die Bäckerleute Lück die Brote durch eine Kellerluke verkauft haben. | Foto: Dietlind Steinhöfel
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  • Auf die Krume kommt es an. Das Klappenbrot aus Sauerteig (oben) ist der Klassiker. Die »Brotklappe« hat ihren Namen noch aus den Anfängen, als die Bäckerleute Lück die Brote durch eine Kellerluke verkauft haben.
  • Foto: Dietlind Steinhöfel

Neuanfang: Annika und Sebastian Lück haben ihr Leben umgekrempelt. Sie betreiben seit einem halben Jahr eine kleine Bäckerei in Weimar. Die »Brotklappe« unterscheidet sich nicht nur im Preis von herkömmlichen Backstuben.

Von Dietlind Steinhöfel

Der kleine Laden in der Trierer Straße 46 in Weimar füllt sich. An den Tischen vor dem Verkaufstresen sitzen junge Leute, eine Mutter mit Kind, ein älteres Ehepaar. Die drei jungen Frauen hinter dem Tresen haben alle Hände voll zu tun. Im Backraum im Untergeschoss wird geknetet, ausgerollt, belegt und gebacken. Es ist »Pizza-Night« in der »Brotklappe«. Ein willkommener Anlass, sich am Montagabend hier zu treffen, zu plaudern und zu genießen.

Seit gut einem halben Jahr betreiben Annika (43) und Sebastian Lück (41) die »Brotklappe«, einen kleinen Laden am Weimarer Stadtring, der ursprünglich eine Fleischerei und in den letzten Jahren oft verwaist war. Nun ist das Leben zurückgekehrt.

»Gutes Brot braucht Zeit«, sagt Sebastian Lück. Damit es seinen Geschmack entfalten kann, dauert die Produktion 36 Stunden. In der Nacht vor dem Backtag kommen die Laibe in den Kühlraum. »Dort entwickeln sie ihr Aroma.« Der angehende Bäckermeister kommt ins Schwärmen, wenn er über sein Brot berichtet. Er nimmt ein frisch aus dem Ofen gekommenes Brot aus dem Regal und hält es ans Ohr. »Es erzählt mir, ob es gelungen ist«, meint er und lächelt.

»Wir verwenden ausschließlich Sauerteig und haben eine bestimmte Vorstellung, wie die Krume aussehen soll«, so Lück. Dass dabei die Brote oft unterschiedliche Formen haben, sei normal. »Das Leben ist auch nicht immer gleich.« Wichtig sei, dass etwas Gutes dabei herauskommt. Teil davon ist die Auswahl des Mehles. Das kommt von einem regionalen Müller in Freyburg an der Unstrut. Die Mühle wird seit rund 120 Jahren mit Wasserkraft betrieben und verarbeitet das Korn mit alter Technik. »Der Müller weiß, wie Sauerteig funktioniert, er hat ein Gefühl für das Getreide und die Mischung«, erläutert Sebastian Lück. Seine Zulieferer sind aus der Region.

Das Regionale spielt für Lücks eine große Rolle, keine langen Wege und das Wissen, woher die Zutaten kommen. All das hat seinen Preis. Ein Brot kostet zwischen 6 und 9 Euro. Doch die Backwaren sind trotzdem gefragt, gerade bei jungen Kunden und Familien. »Kinder fahren auf das Brot ab«, meint Lück.

Die Kundin Selda Hamdemir konnte jahrelang kein Brot mehr essen. »Ich habe den Geruch nicht vertragen«, sagt die 41-Jährige. Als die »Brotklappe« öffnete, hat sich das schlagartig geändert. »Ich bin nicht reich, aber ich weiß, was ich essen möchte. Lieber weniger, aber gut.« Selda Hamdemir, Mutter von vier Kindern, schmiert nun »mit Freude und gutem Gewissen« die Schulbrote. »Das ist ehrliches Brot«, sagt sie. Jedes habe seine eigene Note. Sie komme gern in die »Brotklappe«.

Das hat mit der Philosophie zu tun, welche die Familie motiviert. Denn ursprünglich kommen Annika und Sebastian Lück aus ganz anderen Berufen. Er war 20 Jahre im Handel beschäftigt, Vertrieb und Unternehmensaufbau. Annika ist gelernte Fremdsprachenkauffrau, war im Marketing und in der Unternehmenskommunikation tätig. »Wir haben gut verdient, konnten uns viel leisten«, sagt sie. Aber sie seien mit den Berufen nicht verbunden gewesen.

»Wir waren auf der Suche nach etwas, das zu uns passt«, wirft Sebastian ein. Schon seit drei Jahren hatten sie die Idee für eine Backmanufaktur. In der ehemaligen Fleischerei in Weimar fanden sie ideale Bedingungen. Es gab genug Platz und vor allem bereits Produktionsräume mit Wasser- und Stromanschluss, sodass keine Umbauten nötig wurden. Aus einem großen Haus ist die Familie in eine kleine Wohnung unweit des Ladens gezogen.

Es war ein Loslassen, um sich neu zu orientieren. Es habe sie die Frage umgetrieben: »Was wollen wir mit unserem Leben anfangen?« Der Schritt aus der finanziellen Sicherheit in die Selbstständigkeit sei auf manches Unverständnis gestoßen, erzählt Annika Lück. Aber das Haben sei nicht wichtig, betont die evangelische Christin, der ihr Glaube viel bedeutet und sicher auch Motivation ist. Der Laden vereint Familie und Beruf. Die drei Kinder seien groß genug – zwischen 16 und 9 Jahren – dass so ein Schritt möglich wurde. Zumal die Eltern im Laden immer für die Kinder erreichbar seien.

In ihrem gemeinsam geführte Unternehmen sind die Aufgaben klar verteilt: Sebastian ist für das Brot zuständig, Annika für die Kundenkommunikation und den Verkauf. Rund 10 Mitarbeiter sind beschäftigt. Selbst die Kinder helfen schon mal mit.

Der Bäcker geht die paar Stufen ins Untergeschoss, um das Gebäck im Ofen zu kontrollieren. »Zimtknut« und »Babaka«, ein Dinkel-Weizen-Gebäck, – alle Backwaren sind Eigenkreationen – verströmen einen angenehmen Duft. In einer Dose wächst der Sauerteig. »Der ist hungrig und mag es warm. Und er mag gute Musik, ist ja ein Lebewesen«, meint Sebastian Lück. Dann kommt er wieder auf seine Philosophie zu sprechen. Es sei doch die Frage, wie man leben und arbeiten will. »Wir haben uns den Arbeitsplatz nach unseren Vorstellungen gestaltet. Es geht im Wesentlichen darum, was uns alle umtreibt: eine sinnstiftende und zufriedenstellende Tätigkeit und Zeit für die Familie zu haben.« Das Brot sei Mittel zum Zweck.

»Wenn wir hier auf der Erde weiter leben wollen, kann es nicht nur um den Preis einer Ware gehen.« Viel zu kaufen für wenig Geld stehe dem entgegen, das könne nicht ressourcenschonend sein. Veränderung wachse aus dem Kleinen heraus und erfasse nicht gleich den Großteil der Menschen.

Autor:

Online-Redaktion

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