Wolf
Geburtstagsgabe (24)

Vom Walde her naht sich für einige Augenblicke der Wolf. Leise und verhalten lässt er sich  über Gott, die Welt und Martin Luther aus ...

Immer habe ich mich gesträubt. Nie habe ich mich klein kriegen lassen. Ich bin der Wolf. Ihr nennt mich den bösen Wolf? Weil Ihr Judas-Hund lieber mögt, den Unterwerfling. Bedenkt doch, Ihr fürchtet mich immer nur in  d e m  Maße, in dem Ihr Euch selber bereits unterworfen habt. Ich hole (meistens) nur ein einziges Schaf. Welches? Vielleicht seid Ihr das nächste ... Aber die Herde bleibt die Herde ... auch wenn Eins von Euch fehlt. Sehr früh schon habt Ihr Menschen unsere Sippe in Hunde und Wölfe gespalten. Dafür nehmen wir immer noch Rache. Die Schwachen unter uns fingen an, Euch Zweibeinern nachzulaufen. Die Starken aber blieben der Wildnis treu.

Ich kenne die Menschen. Vor hunderten Jahren traf ich einen von ihnen. Gewitter war, es blitzt und donnert. Er, der Mensch - in´s Uneine gefallen mit allen Seelen-, Welt- und Wetterkräften -rennt übers Feld. Rennt hierhin, rennt dorthin. Da flattern Blitze von oben herab. Schlagen ein. Rings um ihn her. Dicht neben dem Ängstling. Ich sitze bei einem Baum und höre, wie er jammert und schwört: „Ein Mönch will ich werden!“ schreit der Bube „Heilige Anna, hilf“ und weiß sich selbst nicht zu helfen. Er winselt nach den Heiligen wie ein Hund. Ecce homo. In dem Maße, wie er um Gnade winselt, hat er sie später anderen versagt. Was er von Gott begehrte, erlaubt er später seinem Hund nicht. Einmal schrieb einer über den Winsler: 

„Wir werden diesen Hund lehren, wieder ein Wolf zu werden!“

Ein Wolf war’s selber, der solches schrieb - ich las in seinen Werken. Denn wir Wölfe können lesen. Spuren im Wald, im Sand und in Büchern. Der Name des Menschen, der solches schrieb, lautete Friedrich Wilhelm aus Röcken. Der Angstmensch hieß Martin Luther.

Aber aus dem feigen Hunde ist dann doch noch ein richtiger Wolf geworden! Denn eines Tages durfte ich ihm im Traum erscheinen. Von ganz oben ward mir solch Auftrag zuteil. Und - jawohl - dann hat er es ihnen allen ordentlich gezeigt. Gezeigt, was Freiheit ist. Deshalb gilt Luther bei den Hirten der Papisten als böser Wolf. Aber für alle Protestanten ist er zum Befreier geworden. Nun, was soll‘s?  Keine Gnade falschen Hunden gegenüber! Es lebe der Wolf …

Canis Lupus - Wolf

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Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
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