was eigentlich ist christliche Elite
Markus 3,31-35

die Berufenen …
Der Begriff „Elite“? Er schillert. Aus dem Französischen kommend, bezeichnete er die „Auserlesenen“, die aufgrund von Geburt über das Durchschnittliche hinauswuchsen. In der Antike galt es als selbstverständlich, dass Polis bzw.  res publica von solchen aristoi – den wenigen Besten – geleitet würden. Denn die Vielen konnten nicht ohne die Wenigen, aber die Wenigen nicht ohne die Vielen.

Die Neuzeit hat dieses Gleichgewicht aufgelöst. Der Begriff Elite bekam den Beigeschmack des Dünkelhaften. Gleichzeitig erhoben neue Eliten den Anspruch, dass Autorität sich nicht mehr auf Abstammung, sondern auf Rationalität, Innovation und Erfolg stützen müsse. Aus der Elite der Herkunft wurde die Elite der Leistung.

Hier setzt Peter Sloterdijks Diagnose in seinem Buch „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“ ein: Die Moderne sei durch eine Bastardisierung der genealogischen Ordnungen gekennzeichnet. Das Kind tritt nicht mehr in die Fußstapfen der Eltern, die Linie wird unterbrochen; statt Kontinuität herrscht nun Diskontinuitätszwang. Der Bastard – einst Schimpfwort für den unehrlich Geborenen – wird zur Chiffre für den schöpferischen Abbruch, für die Sprengung genealogischer Ketten. In diesem Sinn ist die Neuzeit eine Kultur schrecklicher Kinder, die weder Tradition noch Herkunft gelten lassen wollten.

Es ist von größter theologischer Bedeutung, dass auch das Evangelium eine Bastardgeschichte erzählt. Jesus, der „Sohn“ Marias, steht unter dem Verdacht solcher Geburt. Jesus selbst sprengt die genealogischen Erwartungen. Als Mutter und Brüder vor der Tür stehen, weigert er sich, die biologische Familie als Letztinstanz anzuerkennen. „Wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter“ (Mk 3,35). Hier spricht einer, der das Heilige aus der Blutslinie löst und in den Gehorsam gegenüber der göttlichen Wahrheit verlegt.

Das Wahre kommt nicht nur im Gleichschritt der Generationen, sondern auch im Bruch, in der Neuansetzung. Jesus ist – in den Augen der Welt – ein Bastard, und eben darin der Träger der wahren Auserwählung.

Und doch müssen wir zu Recht mahnen, dass das Christentum nicht als Zelebration der Traditionlosigkeit verstanden werden darf. Die Kirche lebt aus dem Weitergeben, aus der Überlieferung. Elite im christlichen Sinn meint deshalb nicht eine abgesonderte Kaste, sondern jene, die berufen sind, das Empfangene zu hüten und weiterzutragen. Ohne Tradition keine Wahrheit, ohne Bruch keine Zukunft. Elite ist die fragile Schar jener, die beides können: hören und wagen, bewahren und unterbrechen.

Wer heute „Elite“ sein will, muss zugleich Tradent und Bastard sein. Er muss die große Linie der Väter und Mütter ernst nehmen, ohne sie zu verabsolutieren. Er muss den Willen Gottes suchen, auch wenn der die genealogischen Sicherheiten stört. Die wahren Eliten des Evangeliums sind die, die sowohl die Tradition tragen als auch den Mut haben, sie im Namen Jesu zu suspendieren, wenn die Sorge um die Wahrhaftigkeit an die Tür klopft.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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