Persönliche Anmerkung zu einer Randnotiz
Zum Tod von Dr. Götz Planer-Friedrich

Foto: EAT/ Jens Planer-Friedrich

Ehrlich gesagt, empfinde ich als fast beschämend, wenn sich offenbar niemand findet, der für die Kirchenzeitung im Gebiet der EKM, einen würdigenden Nachruf auf Dr. Götz Planer-Friedrich verfasst. Der Tod eines wichtigen Theologen in der DDR und im ersten Jahrzehnt der deutschen Einheit, ist lediglich eine Randspaltennotiz seines dritten Nachfolgers als Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen in der Ausgabe 12/2022 vom 20.03.2022 wert? Darüber bin ich traurig und zugleich auch ziemlich entsetzt.

Etwa ein Jahr nach der deutschen Einheit bin ich Götz Planer-Friedrich zum ersten Mal persönlich begegnet. Unser unmittelbarer Kontakt dauerte dann auch nur etwas mehr als drei Jahre an. Sein Name jedoch war mir schon vorher jahrzehntelang vertraut. Zunächst als 1939 geborener Sohn einer Jenaer Institution der Kinderheilkunde (der auch mein Kinderarzt war), dann als einer der wenigen namentlich erwähnten Kommilitonen meines Vaters. Jahre später, da war ich schon als Bausoldat in der NVA-Kaserne in Prora, bin ich wirklich aufmerksam auf ihn geworden. Damals war er Studienreferent für Sozialethik und seit 1980 gleichzeitig Leiter der Theologischen Studienabteilung des Bundes der Evangelischen Kirchen der DDR (BEK). Diese Einrichtung war für viele Menschen, die unter dem schützenden Dach der vor allem protestantischen Kirchen, in Friedens-, Umwelt- und anderen gesellschaftskritischen Gruppen ihre Heimat für Denken und Handeln gefunden hatten, wichtige Impulsgeberin. Sein Name erschien dabei jedoch eher selten im Vordergrund, andere wie Christoph Ziemer oder Joachim Garstecki waren für (junge) Menschen wie mich, in Sachen Friedensethik deutlich wichtiger. Und dennoch hat Götz Planer-Friedrich als Leiter einen unverzichtbaren Beitrag für deren Bedeutung geleistet. War doch die (heute leider fast vollkommen vergessene) Studienabteilung jene „Denkfabrik“ des BEK, die verantwortlich für die Herausgabe sozialethischer und zugleich wichtiger gesellschaftskritischer Studien und anderer Veröffentlichungen zeichnete. Auch wenn diese als kircheninterne Dokumente gedacht waren, erfuhren sie eine weite Verbreitung in Gemeinden und kirchlichen Gruppen, nicht zuletzt im Rahmen der jährlichen Friedensdekaden. Unter anderem hier trugen ihre Mitarbeitenden mit Vorträgen und Gesprächsrunden zum Programm in gut gefüllten Kirchen und Gemeinderäumen bei. Die Arbeit der Studienabteilung wurde für viele zu einem unverzichtbaren Orientierungs- und Haltepunkt im Leben unter den Bedingungen des real existierenden Sozialismus. Zusammen mit Christa Lewek, Günter Krusche und Manfred Stolpe arbeitet er auch zu Fragen der Menschenrechte in der SED-Diktatur. So umstritten die Formel von „Kirche im Sozialismus“ war, die Papiere der Theologischen Studienabteilung beinhalteten auch damals so wichtige „Worte zwischen den Zeilen“ als durchaus systemkritische Positionen.

1986 wechselte Götz Planer-Friedrich als Studiensekretär für sozialethische Fragen in zum Lutherischen Weltbund (LWB). In dieser Funktion war er maßgeblich an der inhaltlichen Vorbereitung der Europäischen Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung 1989 in Basel und ein Jahr später der Weltversammlung in Seoul beteiligt. Deren Vorläufer in der DDR gehörte zwischen 1988 und 89 zu den maßgeblichen programmatischen Wegbereitungen der Friedlichen Revolution. Die Ergebnisse aus Basel und Seoul gingen im vorrevolutionären und späteren Einheitstaumel etwas unter die Räder, hatten aber wichtige Impulse für die damalige Freude über das Ende des Kalten Krieges gegeben. Das gewaltfreie Ende der SED-Diktatur und die spätere Deutsche Einheit erlebte PF (wie er sich in Genf im Team nennen ließ) aus der Ferne als kommissarischer Direktor der neuen Abteilung für Theologie und Studien beim LWB. Aus dieser für einen DDR-Theologen komfortablen und privilegierten Position heraus, war er ab 1988 ständiger Mitarbeiter der in Stuttgart herausgegebenen Monatszeitschrift „Evangelische Kommentare“. Hier publizierte er Aufsätze zu kirchenpolitischen und -rechtlichen wie auch sozialethischen Themen sowie zur Problematik Kirche und Staatssicherheit in der DDR.

Im September 1991 wechselte er zurück in die Heimat und wurde Neugründungsdirektor der Evangelischen Akademie Thüringen. Noch im gleichen Monat lernten wir uns bei einem „Sondierungsgespräch“ in Jena persönlich kennen. Es ging um die Besetzung einer Stelle als Studienleiter für gesellschaftspolitische Jugendbildung an eben dieser Akademie. Ohne eine formale Qualifikation dafür zu haben, aber mit Erfahrungen in der kirchlichen Friedens- und Jugendarbeit im Gepäck, habe ich durch die Entscheidung von Götz Planer-Friedrich und sein Vertrauen in mich, eine Chance bekommen, trotz einer nicht ganz geradlinigen DDR-Bildungsbiografie, einen beruflichen Neubeginn zu versuchen. Und den habe ich bis heute nicht bereut und bin ihm, trotz mancher Spannungen, die wir in den wenigen Jahren der Zusammenarbeit auch hatten, sehr dankbar dafür. Zugleich war es mir eine Freude und zugleich auch Ehre, gemeinsam mit PF (diese Anrede hatte er aus Genf mit in die thüringische Provinz gebracht) und anderen wie Gundula Bomm, Sabine Nagel, Thomas A. Seidel oder Waltraud Seifert und Cornelia Schreiber den Aufbau der neuen Evangelischen Akademie Thüringen voranzubringen und zu begleiten. Einige meiner inhaltlichen Wurzeln, die mir bis heute als Demokratie- und Menschenrechtspädagoge wichtig sind, habe ich Götz Planer-Friedrich zu verdanken.

Zu den gemeinsamen Erinnerungen mit ihm gehört aber auch, dass die damalige Thüringer Landeskirche nicht wirklich wertschätzend mit ihm umgegangen ist. Die neugegründete Akademie schien auf der formal-institutionellen Ebene permanent zur Verhandlungsmasse um das seinerzeit geplante, aber etwas zu ambitioniert angedachte Evangelische Stift Reinhardsbrunn zu gehören. Ich denke, auch diese Erfahrung hat ihn in Thüringen zerrieben und so hat Planer-Friedrich Neudietendorf recht bald auch wieder verlassen und war bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2002 Chefredakteur der Zeitschrift „Evangelische Kommentare“.

Vor einigen Jahren, als ich 2014 gemeinsam mit dem heutigen Landesbischof, meinem Freund, Friedrich Kramer den Bausoldatenkongress „Friedenszeugnis ohne Gew(a)ehr“ vorbereitet habe, hatte ich den letzten Kontakt zu meinem früheren Chef. In einer Arbeitsgruppe, für die wir ihn mit anderen als Referenten gewinnen wollten, sollte die Bedeutung der Arbeit der Theologischen Studienabteilung für die friedensethische Orientierung der Bausoldaten diskutiert werden. Leider wollte er damals nicht mehr nach Lutherstadt Wittenberg kommen, weil er sich schon zu alt fühlte. Somit fand unsere letzte persönliche Begegnung bei der Feier zur Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland statt, zu der die sich später auflösende Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen e.V. Mitte Mai 2011 nach Berlin geladen hatte. Diese habe ich in schöner und guter Erinnerung wie vieles, was ich gemeinsam mit Götz Planer-Friedrich erleben und erfahren durfte. RIP lieber PF.

Stephan Schack
Demokratie- und Menschenrechtspädagoge, 1991-1997 Studienleiter für gesellschaftspolitische Jugendbildung der Evangelischen Akademie Thüringen

Autor:

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