Dante Alighieri +14.9.1321
Siebenhundert Jahre "Göttliche Komödie"

Dante Alighieri + 13./14. September 1321 (Porträt: Sandro Botticelli)
  • Dante Alighieri + 13./14. September 1321 (Porträt: Sandro Botticelli)
  • hochgeladen von Matthias Schollmeyer

In Ravenna, Venedig und Florenz feierte man dieser Tage den "Italienischen Goethe." Dante Alighieri - der vor siebenhundert Jahren in der Nacht zum 14. September von seinem Venediger Exil aus über den Läuterungsberg den letzten Weg Richtung Elysium betrat. Am bekanntesten ist Dante jener großen Dichtung wegen, welche uns Hölle, Fegefeuer und Paradies anschaulich beschreibt. Fast alle politischen Größen seiner Zeit hat der Dichter unbarmherzig in die Hölle versetzt. Dort sucht er sie selber auf, bekommt die Qualen erklärt und dokumentiert uns höchste Betroffenheit. Er durchwandert die Hölle nicht alleine, sondern hat einen Führer. Wie man heutzutage in größeren Städten  Stadtführer mieten kann, wird Dante von Vergil begleitet. Kurz vor dem Ziel übernimmt die schöne Beatrice die Aufgabe der Wegleitung. Das Ganze geht so los:

Prolog (Hölle 1. Gesang 1-4):
Auf halbem Weg des Menschenlebens fand
ich mich in einen finstern Wald verschlagen,
weil ich vom rechten Weg mich abgewandt.

Wie schwer ist’s doch, von diesem Wald zu sagen,
wie wild, rauh, dicht er war, voll Angst und Not;
schon der Gedanke weckt in mir das Zagen.
Nur wenig bitterer ist selbst der Tod.

Recht bald stehen wir mit den beiden Hölleninspizienten vor dem Tor des absoluten Un- und Totalaborts der gesamten Weltgeschichte. Ach, - was es da nicht alles zu hören und zu sehen gibt. Jeder einzelne Poenitent  bekommt die ihm entsprechende Qual zugemessen. Die jeweilige Strafe und Buße widerspiegelt gemäß dem Prinzip der Vergeltung, wessen die Leute in ihrem früheren Erdenleben sich schuldig und unmöglich gemacht haben. Was sie wollten, glaubten, dichteten und trachteten und schließlich dann auch angerichtet haben - das ist die Ursache ihrer ewigen Qual. Sie sitzen in der Patsche. Und - keiner kommt von dort wieder fort:

Das Höllentor spricht (3. Gesang 1-3):
Durch mich geht’s ein zur Stadt der Qualerkornen,
durch mich geht’s ein zum ew’gen Weheschlund,
Durch mich geht’s ein zum Volke der Verlornen.
Das Recht war meines hohen Schöpfers Grund.

Die schon vor mir erschaffnen Dinge waren
die ewigen. Und ewig bin auch ich.
„Laßt, die ihr eingeht hier, die Hoffnung fahren.”
Solch Inschrift zeigt’ in dunkler Farbe sich.

Alle, wirklich alle politischen Größen sind hier gelandet. Der Jenseitsbesucher Dante begegnet einer Vielzahl von geschichtlichen und mythologischen Personen. Manche hat man trotz des Abstands von siebenhundert Jahren erkennen können. Aber bei anderen sucht die Dante-Forschung immer noch emsig, wer es gewesen sein möchte. Hätte Dante in unserer Zeit gelebt (2021), wären durch sein bissiges Wort viele Prominente ebenfalls in der untersten Hölle gelandet, von wo aus es kein Entkommen gibt.
Um nun der Danteforschung auch in einhundert Jahren noch ein paar Nüsse zum Knacken zu geben, sind hier weitere Verse - sozusagen als höllisches Ergänzungsbändchen für die Divina Commedia. Raten und finden Sie, liebe Leser*innen selber, wen Dante gemeint haben könnte.

Freilich - wir sind gnädiger als das 14. Jahrhundert - und haben die modernen Delinquenten nicht in den Pfuhl, sondern nur auf den Läuterungsberg versetzt. Dieser Berg - oder das Fegefeuer bzw. Purgatorium - ist eine der genialsten Erfindungen spätmittelalterlich-vorreformatorischer Dogmatisierungskünste, um den Verdammten über den garstigen Graben aus Lukas 16,26 doch noch Rettungsringe zuwerfen zu können. Vom Läuterungsberg nämlich kommt man u.U. nach gewisser Zeit frei. Bedingung: Vorher muss alles weggebruzzelt werden, was den Aufstieg in die Sphären der Harmonie noch behindert. Das geht nicht ganz ohne Schmerzen. Deshalb bat man (und bittet wohl auch immer noch?)  die Gottesmutter Maria für die im Reinigungsfeuer ausharren müssenden Seelen: „Kürze ihre Wartezeit!”

Purgatorium (1. Gesang 1-2)
Zur Fahrt in bess’re Fluten aufgezogen
hat seine Segel meines Geistes Kahn,
und läßt nun hinter sich die grimmen Wogen.

Zum zweiten Reiche hin geht jetzt die Bahn:
Wohin zur Reinigung die Geister schweben,
um würdig dann dem Himmelreich zu nah’n.

___________________________________________

Bei einem Hain aus sonderbaren Bäumen
befand ich mich und staunte wohl nicht schlecht:
Ein Wald, wie nur in kuriosen Träumen

ganz ohne Stamm, kein Blatt, kein Laub, kein Specht.
Doch hört ich grüne Menschlein dieses preisen -
sie waren jener Bäume Magd und Knecht.

Und mussten ständig mit den Armen kreisen -
am Tag, zur Nacht - nie endet ihre Müh.
Denn wirbelnd drohen über ihnen Eisen,

deucht uns windmühlenhaft die Phantasie.
Den Kreuzen Golgathas fast zu vergleichen -
nur mehr als drei - unendlich zählen die.

Der grünen Menschlein Bündnis durft’ nicht weichen,
sie mussten Greife fangen, nackt am Arm. 
Die Vögel höhnten es mit Spott und Streichen:

"Ja, dreht euch nur!" kreischt laut der ganze Schwarm:
"Als ihr noch lebtet, habt ihr uns getötet
mit euern Rädern, dass es Gott erbarm!

Nun aber schauen wir euch hocherrötet,
verdrehten Leibs, als Spargel anzuseh'n.
Erst wenn das letzte Windrad ist zerlötet

kraft eures heißen Schwitzens wirrem Weh'n,
dürft weiter ihr nach oben auf den Stiegen,
um euch beschämt von hieraus zuzuseh‘n."

Als nun die Maledeiten peinlich schwiegen,
dacht ich, dass sie in bittrer Reu sich biegen.

Die Danteforschung späterer Jahrhunderte wird es erkennen. Jas - es müssen die Anhänger des grünen Bündnisses gemeint gewesen sein, die Dante als ewige Windmühlen über abgeholzten Wäldern und geschredderten Vogelbälgern sich plagen lässt. Auch anderen Parteien wären Verse zu setzen - denn natürlich sind auch sie auf dem Läuterungsberg anzutreffen. Sie unterzögen sich dort jenem zermürbenden Prozess, der nach sehr langer Zeit aus böse gut, aus dumm klug, aus unverschämt demütig macht - und aus selbstgerecht einsichtig. Erst dann nämlich öffnet sich das Elysium. Auch von dort gibt es übrigens kein Zurück. Noch nicht einmal eine Erinnerung gibt es an das, was einmal hinter uns liegen wird. Bis das aber soweit ist, - welch langer Weg liegt noch vor uns ... Dante jedenfalls hat keine politische Schurkerei seines Jahrhunderts vergessen und vergäße wohl auch heute nichts! Weil er selber nach siebenhundert Jahren nicht vergessen wurde, wird man sich auch morgen an ihn erinnern. Das ist keine Drohung!

Himmel (1.Gesang 1-2)
Die Herrlichkeit DES, DER bewegt das Ganze,
durchdringt das All. Und diesem Teile spendet
sie Licht in stärkerm, dem in schwächerm Glanze.

Im Himmel, dem das meiste Licht ER sendet,
war ich und sah, was nicht vermag zu sagen
noch weiß, wer je von dort sich heimgewendet.

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

15 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.