Peinliche Zahlenkosmetik

Übersichtlich: Weniger Besucher als erwartet kamen zu den Kirchentagen auf dem Weg. Viele Plätze blieben leer, wie hier bei einer Bibelarbeit mit Landesbischöfin Ilse Junkermann in der großen Marktkirche in Halle. | Foto: epd-Bild
  • Übersichtlich: Weniger Besucher als erwartet kamen zu den Kirchentagen auf dem Weg. Viele Plätze blieben leer, wie hier bei einer Bibelarbeit mit Landesbischöfin Ilse Junkermann in der großen Marktkirche in Halle.
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Kirchentage auf dem Weg: Wurden kritische Stimmen im Vorfeld ignoriert?

Von Katja Schmidtke, Willi Wild

Die einen sagen nichts, die anderen wissen nichts und die nächsten sind noch nicht so weit. Dass die Kirchentage auf dem Weg viel weniger Besucher hatten als erwartet, können auch die größten Kirchenoptimisten nicht bestreiten. Landeskirchen, die Länder und Kommunen haben Millionen Euro bereitgestellt. Mit der Analyse und der Bilanz tut man sich bei den Veranstaltern allerdings schwer.
Erst spät habe sich ablesen lassen, dass weniger zahlende Kirchentags-Besucher kommen als erwartet, antwortet auf Nachfrage Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Veranstalters »r2017«. Die Resonanz auf Aufrufe und Veranstaltungen im Vorfeld wie etwa den Bibelweltrekord in Magdeburg mit mehr als 400 Teilnehmern, haben eher das Gegenteil vermuten lassen, so Schneider. Er spricht von einer »insgesamt sehr positiven Stimmung und Begeisterung«.
In Zahlen belegen lässt sich das nicht. Zehn Millionen Euro habe man für die Kirchentage auf dem Weg veranschlagt, sagt Ulrich Schneider. Er rechne nicht mit einem Defizit.
Matthias Sengewald, Vorsitzender des Landesausschusses des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Mitteldeutschland, kann da nur mit dem Kopf schütteln. Von Anfang an habe man darauf hingewiesen, dass die prognostizierten Besucherzahlen unrealistisch seien. Sechs Kirchentage in acht Städten neben dem Kirchentag in Berlin, noch dazu in einem entkirchlichten Gebiet, das werde ganz schwierig, wusste Sengewald vorher. Leider wurden die Bedenken nicht gehört.
Der Weimarer Superintendent Henrich Herbst kritisiert die »undurchschaubare und unzureichende« Informationsstrategie des Trägervereins: »Die durch die Veranstalter gemeldeten hohen Teilnehmerzahlen waren uns vor Ort sehr peinlich, denn sie entsprachen nicht unserer Einschätzung.« Überhaupt sei das Vorhaben als zu sehr von außen aufgesetzt erlebt worden.
Eine endgültige finanzielle Abrechnung des Himmelfahrtwochenendes ist noch nicht erstellt. Sie soll in einem Monat vorliegen, wenn auch die ausstehenden Rückläufe aus den Vorverkaufsstellen vorlägen. Insgesamt seien die Kirchentage auf dem Weg je zu einem Drittel aus kirchlichen und staatlichen Mitteln und aus Eigenmitteln, wie Sponsoring und Teilnehmerbeiträgen, finanziert. Fest steht: Bei einem Minus müsste »r2017« als Durchführungsverein das Defizit tragen. Aber niedrigere Einnahmen aus Ticketerlösen stünden auch niedrigeren Ausgaben, zum Beispiel für Übernachtungen oder Verkehrsverbundtickets, gegenüber, sagt Ulrich Schneider. »Insofern wird sich ein Defizit in Grenzen halten. Die Finanzierungsstruktur bleibt erhalten.«
Die öffentlichen Geldgeber werden ihre Zuschüsse im Falle eines Defizits jedenfalls nicht aufstocken. »Eine Erhöhung der vereinbarten Zuschüsse des Landes ist nicht möglich«, teilt Rainer Metke, stellvertretender Regierungssprecher in Magdeburg, mit. Sachsen-Anhalt hat das Reformationsjubiläum großzügig unterstützt und zwei Millionen Euro für r2017-Projekte wie die Kirchentage auf dem Weg in Halle, Magdeburg und Dessau-Roßlau überwiesen. Dazu gab es eine Menge Hilfe im Umfeld von Festgottesdienst und Weltausstellung: Logistik, Verkehr, Polizei etc. In Thüringen will man erst einmal die Abrechnung der Veranstalter abwarten.
Kritik wie aus der Leipziger Stadtverwaltung, die »r2017« eine signifikante Fehleinschätzung hinsichtlich der realen Besucherpotenziale bescheinigte, ist aus Magdeburg und Halle nicht zu hören. Mit knapp einer Million Euro hatte Leipzig den Kirchentag unterstützt. Die Landeshauptstadt Magdeburg hat 300 000 Euro in den Haushalt eingestellt. Mit den Veranstaltern habe man vertrauensvoll zusammengearbeitet, heißt es aus dem Büro des Oberbürgermeisters. Auch die Stadt Halle ist voll des Lobes. Der Kirchentag sei gelungen, sagt Judith Marquardt, Beigeordnete für Kultur und Sport, und beruft sich auf die Zahlen des Kirchenkreises, wonach 20 000 Menschen den Kirchentag in Halle besucht haben. Mehrfachzählungen sind jedoch inbegriffen.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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