Kunst- und Kulturgut
Goethe in Blankenhain: Eher Retter denn Dieb

Die Stadt Blankenhain, 1252 erstmals urkundlich erwähnt, hat als besondere Bauten neben dem Schloss, einer früheren Burg, die mit Stadt und dazugehörigem Umfeld über Jahrhunderte als kurmainzisches Lehen vergeben wurde, die Hauptkirche St. Severi und die kleinere Nonnen- oder Annenkirche aufzuweisen. Die Hauptkirche wurde von 1481 an unter Verwendung von Resten eines romanischen Vorgängerbaues im gotischen Stil neu erbaut und hat in seiner Geschichte manche Veränderung erfahren.

Als sie im Jahre 1784 für 44 Thaler neu ausgemalt wurde, nachdem man zwei Jahre zuvor für 400 Thaler eine neue Schulze-Orgel hatte einbauen lassen, verbrachte man den „Hauptschmuck der Kirche“, „ein kostbares Schnitzwerk aus Holz, die 12 Apostel mit der Himmelskönigin vorstellend“, neben anderen Schnitzwerken ins Schloss. Die Maria mit den Aposteln hatte hinter dem Altar ihren Platz gehabt und war schon in vorreformatorischer Zeit für ein Stück Wald aus der Marienkirche Bad Berka nach Blankenhain gekommen.

Kunsttransport in der "vornehmen Kutsche"

Nach Napoleons Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig und dem darauf folgenden Wiener Kongress kam Blankenhain zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. Und nun kommt Johann Wolfgang von Goethe ins Spiel. Als Minister nimmt er eines Tages den Zugewinn in Augenschein, findet die Schnitzwerke 1816 im Blankenhainer Schloss vor und nimmt sie kurzerhand in seiner „vornehmen Kutsche mit nach Weimar“, wie Diakonus Ackermann in seiner Chronik schreibt.

Seit der Renovierung von 1784 waren über 30 Jahre vergangen. Die Vermutung liegt nahe, dass der lutherische Superintendent von Blankenhain, Johann Andreas Pörzel, die Mutter Gottes als „zu katholisch“ nicht wieder in seiner Kirche haben wollte, und die Figuren in Vergessenheit gerieten. Die Superintendentur Blankenhain zählte damals elf Mutter-Pfarrstellen mit 32 Kirchen, 28 Schulen, 15 Geistlichen und 28 Lehrern.

Goethe beabsichtigt auf der Wartburg ein Zentrum für mittelalterliche Bild- und Schnitzwerke zu errichten, und da kommen ihm die Blankenhainer Altäre gerade recht. Er lässt sie renovieren und macht sie in Weimar der Öffentlichkeit zugänglich. Warum aus dem Vorhaben nichts geworden ist, bleibt offen. Im Zweifelsfall ist der Grund dafür wohl im fehlenden Geld zu suchen.

Teil der Schnitzwerke zurück in Blankenhain

Wenn man heute die Stadtkirche besucht, kann man einen Teil der Schnitzwerke wieder dort bewundern. Sieben lebensgroße Figuren, vermutlich Saalfelder Schule, sind an der Wand des Chorraumes befestigt: die Apostel Petrus und Paulus, Gott-Sohn, Maria, Gott-Vater, der Heilige Christophorus und ein Bischof (Bonifatius?). Sie sind die Hauptfiguren einer Marienkrönung, wobei die Taube als Symbol der Heiligen Geistes verloren gegangen ist. Was aus der anderen Maria mit den zwölf Aposteln geworden ist, bleibt offen. Ebenso wenig nach Blankenhain zurückgekehrt, ist das Mittelteil der Heiligen Familie, die seit Jahrzeiten in der Süd-West-Ecke der Kirche angebracht war und die Geburt Jesu zum Inhalt gehabt haben muss. Der herbe Perücken-Christus aus gotischer Zeit passt gut in die Kirche. Er wurde aber erst im Zusammenhang mit der Innenrenovierung von 1981 als dominierendes Zeichen im Chor aufgehängt.

Goethe als Kunstdieb? Nein, das wird man nicht guten Gewissens sagen können! Er hat die Blankenhainer Altäre bei der Begehung des Schlosses auf dem Dachboden desselben verstaubt und verschmutzt vorgefunden und als sehr erhaltenswert eingeschätzt. Insofern müssen wir ihm danken. Dass dann nur ein Teil von ihnen zurückgekehrt ist, steht auf einem anderen Blatt. Hätten die Pfarrer von Blankenhain ihr „Kunstgut“ besser im Auge gehabt, wäre es gar nicht so weit gekommen

Quelle: Diakonus E. Ackermann, Chronik von Blankenhain, 1828.

Martin Steiger, Pfarrer von Blankenhain I (1971-1983)

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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