Weniger, aber besser, ist mehr

Ulf Poschardt | Foto: »Die Welt«
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Ulf Poschardt: Der Journalist macht sich im vorletzten Teil unserer Serie Gedanken über den Mehrwert von Verzicht

Askese soll als spirituelle Praxis Körper und Geist reinigen. Dabei spielt nicht bloß Selbstdisziplin eine Rolle, sondern auch die Chance auf Stille, um sich selbst oder, im Sinn der christlichen Kirche, um Gott näher zu sein. Gerade die Digitalisierung fördert die Sehnsucht nach einem zumindest in Teilen einfacheren Leben.
Wenn alles immer mehr wird, kann weniger neu verlockend sein. Puritanische Möbel, leichte Sportwagen, reduzierte Küche, all diese Askesekonzepte erleben im Wohlstand eine geradezu religiöse Verehrung. Diese Askese als Lustgewinn knüpft an die Ethik der Antike an, die schon früh das maßvolle Leben als
Garant für Glück und Harmonie entdeckte. So hat die katholische Kirche mit der Tradition des Fastens, des bewussten Verzichtens, zum Beispiel vor dem Osterfest, den wohl allgemeinsten Ratschlag formuliert.
Wie die Ernährungsregeln jeder Religion, ob nun christlich, muslimisch oder buddhistisch, kann die Fastenzeit auch eine in Tradition übergegangene Kulturtechnik des Überlebens sein. In der Fastenzeit erhält der Minimalismus eine metaphysische Schwingung. Es bedeutet die Reduktion auf das Wesentliche, das dafür aber besonders schön und qualitativ hochwertig sein muss.
Mein Fasten hat keinen religiösen oder metaphysischen Hintergrund, sondern ist ein Teil einer pragmatischen Lebenstechnik. Ich rauche nicht, trinke kaum Alkohol und ernähre mich im Zweifel gesund. Trotzdem gibt es Zeiten, an denen ich bewusst faste und verzichte, unabhängig von der Fastenzeit. Ob es nun um das Maßhalten geht mit einer Reduktion des Lebenstempos und der Anzahl von Erlebnissen oder um das bewusste Umstellen der Ernährung – die Fastenzeit sollte jeden von uns vor allem eines lehren: weniger, aber besser, ist mehr.

Der Chefredakteur der Zeitung »Die Welt« hat mit der Kritik an der Predigt des Berliner Pfarrers Steffen Reiche in der Christmette eine Kontroverse über politische Haltungen in Predigten ausgelöst.
»Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?«, schrieb er dazu im Kurznachrichtendienst Twitter.
Poschardt selbst bezeichnete sich jüngst in der »Zeit« als U-Boot-Christen, der sich nach Frieden und Ruhe sehne und nach einer nachdenklichen Predigt, die den Glauben wieder in intellektuelle Schwingungen bringe.

Ulf Poschardt | Foto: »Die Welt«
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Online-Redaktion

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