»Old Shatterhand bin ich selbst«

Karl May | Foto: Erwin Rapp/Wikipedia

Vor 175 Jahren wurde Winnetou-Autor Karl May geboren, der sich aus bitterer Armut hochgearbeitet hat

Von Holger Spierig

Karl May war ein Popstar der Abenteuerliteratur. Geboren wurde er vor 175 Jahren, am 25. Februar 1842, im sächsischen Ernstthal. Sein Werk und seine Person inszenierte er in einem Gesamtkunstwerk. »Ich bin wirklich Old Shatterhand respektive Kara Ben Nemsi und habe erlebt, was ich erzähle«, versicherte der Schriftsteller, der sich aus bitterer Armut und Zuchthaus zu Wohlstand hochgearbeitet hatte. Zu seinen Verehrern zählen Schriftsteller wie Hermann Hesse, Martin Walser oder der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa. Kritiker wie der Literat Klaus Mann (1906–1949) hingegen sahen Mays Werk als »fragwürdiges Labyrinth eines krankhaften und infantilen Hirns«.
Karl May kommt als fünftes von 14 Kindern einer Weberfamilie im heutigen Hohenstein-Ernstthal bei Chemnitz zur Welt. Neun seiner Geschwister sterben bereits kurz nach ihrer Geburt. Wegen geringer Verfehlungen – wie dem nie ganz geklärten Ausleihen einer Uhr bei seinem Zimmergenossen – ist der Berufsweg des Volksschullehrers schon früh zu Ende.
Aus »Rache an der Gesellschaft«, wie er in seinen Lebenserinnerungen schreibt, schlägt May sich daraufhin als Hochstapler durch. Die Ausbeute ist gering, seine Betrügereien sind jedoch mit viel Fantasie inszeniert: Mal lässt er sich als »Augenarzt Dr. Heilig« teure Pelzmäntel liefern oder »konfisziert« als Polizist angebliches Falschgeld.
Fast acht Jahre lang verbringt May in Gefängnissen. Als er zuletzt mit 32 Jahren entlassen wird, hat er den Masterplan seines Erfolges in der Tasche: Eine Liste mit 137 geplanten Erzählungen.
Jahrelang schreibt May wie im Wahn, immer in gestochen klarer Handschrift ohne Korrekturen – in manchem Jahr produziert die Ein-Mann-Abenteuer-Fabrik fast 3 800 Manuskriptseiten. Seine Helden sind bärenstark, haben einen riesigen Wissensschatz und verfügen über überragende Fähigkeiten als Reiter, Arzt oder Fährtensucher.
Der May-Biograf Helmut Schmiedt sieht für Mays späteren Erfolg als Schriftsteller die gleiche Triebfeder wie für sein Vorleben als Kleinkrimineller: eine überbordende Fantasie. Hier erschreibe und inszeniere sich ein Mensch, der aus jämmerlichen Verhältnissen stamme und dem im Leben zunächst vieles danebengegangen sei. »Eine Traumexistenz, mit der alles zum Besseren hin korrigiert wird«, schreibt Schmiedt in der Biografie »Karl May oder die Macht der Phantasie«.
Im Jahr 1881 lässt der Schriftsteller sein unerschrockenes anderes Ich, die Figur Kara Ben Nemsi, mit seinem getreuen Begleiter Hadschi Halef Omar in der katholischen Zeitschrift »Deutscher Hausschatz« erstmals durch die Wüste streifen. Old Shatterhand und sein Blutsbruder Winnetou sorgen wenige Jahre später im Wilden Westen für Gerechtigkeit. Mays Bücher werden ein Riesenerfolg und ermöglichen dem Vielschreiber ein Leben im Wohlstand: Mit seiner ersten Frau Emma bezieht er eine Villa in Radebeul – die Villa Shatterhand, das heutige Karl-May-Museum.
Amerika und den Orient sollte May erst später als Tourist besuchen. Für die detaillierten Beschreibungen ferner Länder in seinen Romanen stützt er sich auf seine reichhaltige Bibliothek.
Im Laufe seines Lebens reifen Mays pazifistische Ansichten und seine tolerante Religionsauffassung. Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Kriegsbegeisterung um sich greift, veröffentlicht May Werke wie »Und Frieden auf Erden«. Als ihm vorgeworfen wird, er habe durch katholisch gefärbte Schilderungen die Leser über seine wahre Konfession getäuscht, entgegnet der evangelisch getaufte Autor: »Ich bin Christ, einfach Christ, weiter nichts!«
Gegen Ende seines Lebens aber fällt das Kartenhaus des Erfolgsautors zusammen: Es kommt heraus, dass May seine Abenteuer gar nicht selbst erlebt hat – die Leser sind entrüstet. Dann wird auch noch seine Vergangenheit als verurteilter Kleinkrimineller pu­blik und sein Doktortitel stellt sich als Schwindel heraus.
In den letzten zehn Lebensjahren ist Karl May in 200 Prozesse verstrickt, deren Ende er nicht mehr erlebt. Er stirbt am 30. März 1912 in der Villa Shatterhand bei seiner zweiten Frau Klara – offenbar an einer Bleivergiftung, wie jüngere Untersuchungen des Skeletts ergeben haben. Er wurde 70 Jahre alt.
Bis heute leben Mays Helden fort, in seinen mehr als 90 Büchern, in Filmen und auf Freilichtbühnen wie in Bad Segeberg und Elspe. Die weltweite Auflage seiner Werke wird auf 200 Millionen geschätzt – 100 Millionen davon allein in Deutschland.(epd)

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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