Heiteres Genie und Avantgardist seiner Zeit

Telemann-Interpret: Stephan Mai, Geiger und Honorarprofessor an der Weimarer Hochschule für Musik, schätzt die Werke von Telemann als »unglaublich farbige Musik«. | Foto: Maik Schuck
  • Telemann-Interpret: Stephan Mai, Geiger und Honorarprofessor an der Weimarer Hochschule für Musik, schätzt die Werke von Telemann als »unglaublich farbige Musik«.
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Georg Philipp Telemann: Heute strahlt der Ruhm des in Magdeburg geborenen Komponisten wieder neu. Zum 250. Todestag gilt die Musik Telemanns als rehabilitiert.

Von RenateKortheuer-Schüring

Über wenige Musikgenies hat die Nachwelt derart kontrovers geurteilt wie über den heiteren Georg Philipp Telemann (1681–1767). Als größter Komponist neben Georg Friedrich Händel zu Lebzeiten grandios gefeiert, wurde er schon bald nach seinem Tod als Schreiber von »Fabrikware« verleumdet und vergessen. Doch hat sich diese Einschätzung inzwischen komplett zugunsten Telemanns gedreht. Anlässlich des 250. Todestags am 25. Juni werden seine Sinfonien, Rokoko-Suiten, Klaviermusiken und Kantaten häufiger gespielt denn je.
Rund 3 600 Werke hat er hinterlassen und ist damit einer der produktivsten Komponisten der Musikgeschichte überhaupt. Musikwissenschaftler bescheinigen ihm wegen des umfangreichen Oeuvres einen ungeheuren Fleiß, verweisen aber auch auf seine lange Schaffensperiode – Telemann wurde 86 Jahre alt, und er arbeitete bis zuletzt.
Die Anfänge waren von Widerständen geprägt: Georg Philipp Telemann, am 24. März 1681 in eine gebildete Magdeburger Pastorenfamilie hineingeboren, war ein schulisch frühreifes Wunderkind. Er begann früh zu komponieren. Der Mutter gefiel das gar nicht. Die »Musik-Feinde« hätten ihr eingeredet, »ich würde ein Gauckler, Seiltäntzer, Spielmann, Murmelthierführer etc. werden, wenn mir die Musik nicht entzogen würde«, schrieb er später. Um den Jungen von der Musik abzubringen, wurden seine Instrumente kurzerhand beschlagnahmt und er selbst auf eine andere Schule nach Zellerfeld geschickt.
Es nützte nichts: Der dortige Super­intendent Caspar Calvör ermutigte ihn, weiterzumusizieren. Und auch auf dem Gymnasium in Hildesheim bildete der junge Telemann sich musikalisch weiter und erlernte – meist als Autodidakt und heimlich – Instrumente von Violine, Gambe, Oboe und Schalmei bis zu Orgel und Bassposaune. In Leipzig, wo er 1701 ein Jura-Studium begann, mischte er rasch in der Musikszene mit und gründete an der Uni das Laienorchester »Collegium Musicum«, das Johann Sebastian Bach später weiterführen sollte. Telemann wurde als Musiker zusehends bekannt, der Juristenberuf schließlich obsolet.
Nach Zwischenstationen in Sorau und Eisenach kam Telemann 1712 als städtischer Musikdirektor und Kapellmeister der Barfüßer- und Katharinenkirche nach Frankfurt am Main. Hier heiratet er, nachdem seine erste Frau im Kindbett gestorben war, zum zweiten Mal: die 16-Jährige Maria Catharina Textor, Tochter eines Ratskornschreibers. Und es zeigt sich, dass dem vielseitig Begabten auch ein ausgeprägter Geschäftssinn zu eigen ist. So setzt er eine Gehaltserhöhung durch, die ihn mit 1 600 Gulden Jahreseinkünften zu einem der bestbezahlten Frankfurter seiner Zeit macht.
Telemann komponiert in Frankfurt vor allem Kantaten, Oratorien, Orchester- und Kammermusik. In »Alles redet itzt und singet« kommt seine große Liebe zur Natur zum Ausdruck: Das »Singgedicht im Frühling« ist nach einem Libretto des Ratsherrn und Dichters Barthold Heinrich Brockes (1680 bis 1747) geschrieben, der Religiosität und genaue sinnliche Naturbeobachtung verbinden möchte.
Telemanns Hauptschaffenszeit bricht jedoch an, als er 1721 nach Hamburg wechselt. Als »Director Musices« hat er hier eines der angesehensten musikalischen Ämter in Deutschland inne; zudem ist er als Kantor für fünf lutherische Stadtkirchen zuständig. In Hamburg entsteht die bei der 100-Jahr-Feier der Admiralität aufgeführte »Wasser-Ouvertüre«, die »Hamburger Ebb’ und Flut«. Dabei zeigt Telemann aufs Neue, wie sehr er die Tonmalerei liebt: Plätschernde Nymphen sind zu hören und die lauen Winde des Zephyr im Menuett.
Telemann übernimmt 1722 in Hamburg auch die Leitung der Oper und gründet 1728 hier die erste deutsche Musik-Zeitschrift. Selbst komponierte er rund 50 Opern, wovon viele verschollen sind – zu den beliebtesten, heute wiederentdeckten, gehören »Der geduldige Sokrates«, der seit einigen Jahren wieder komplette »Germanicus« und »Pimpinone oder Die ungleiche Heirat«. Die Ehe- und Mitgift-Groteske gilt als größter Heiterkeitserfolg Telemanns. Das Hamburger Publikum tobte.
Telemanns eigene Ehe ging unterdessen unglücklich zu Ende, nachdem seine Frau ohne sein Wissen ein Vermögen verspielt hatte. Doch ihn verbitterte dieser Schicksalsschlag nicht: Empfindsame und heitere Gelassenheit kennzeichnen sein Spätwerk, etwa die Sinfonie »Die Tageszeiten« (1757). Er widmet sich seinem Garten, spricht von seiner »Unersättlichkeit in Hyazinthen und Tulpen«.
Nach 250 Jahren sind nun lauter Würdigungen zu hören. Der Komponist Wolfgang Rihm lobt: Erfinderisch und experimentierfreudig sei Telemann gewesen, wie damals kein anderer: »ein Avantgardist seiner Zeit«. Und Stephan Mai, Geiger und Honorarprofessor an der Weimarer Hochschule für Musik schätzt die Werke von Telemann als »unglaublich farbige Musik«. (epd)

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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