Kriegsende 1945
Ein Rest wird bleiben. Für Joachim Prestrich, Kraftsdorf

Ein Rest wird bleiben.
Für Joachim Prestrich, Kraftsdorf

Als sie kamen, die Russen, um Schluss zu machen, um
Berlin einzunehmen, um die Sau zu schlachten, da
durfte in seinem schlesischen Dorf der Schmied bleiben.
Er wurde gebraucht.
Aber was das bedeutete, das hatten sie sich wohl nicht so
recht klar gemacht. Auch wenn es gelogen sein sollte, dass es
gegen Ende des Krieges einen Tagesbefehl  gegeben habe
mit dem Inhalt: "Trinkt das Blut der deutschen Frau", so hat
es das doch tausendfach gegeben, was der Junge und sein Vater,
was sie alle erleben mussten.

Als man sie hervorzerrte, die Mutter, die Frau des Schmieds,
schon halb aufgerissen, -solche Schreie lasten nach 1000 Jahren
noch auf der Seele-, ergriff der Schmied ein Eisen aus der Grude,
stammelte unverständliche Worte und ging wirren Blicks auf
sie zu, dass man abließ von ihr. Nein, so war es nicht. Das wäre
zu schön. 
Dabei stand der Schmied, Blut lief aus dem Mund, am Rande
des Wahnsinns, eine Kalaschnikow im Kreuz, als die halbe
Mannschaft sich darüber schob. Es war, als stillten sie Heißhunger
an gedeckter Tafel: hastig, gierig und schamlos...
Als dieses nun seinen Verlauf nahm, und kein Mensch oder Gott
es hinderte, da stand auch Joachim dabei, 11 Jahre alt, am Rande
seines Gefühls, und er beschloss, Pfarrer zu werden. Und er wurde
es und predigte ein Leben lang: Frieden auf Erden, ein Rest wird
bleiben, immer wieder wird etwas aufbrechen zum Guten!

Heute aber ist er gefährdet hoch drei: seine Hauptarterie, einem
porösen Schlauch gleich, die vorgesehene OP mit großem Risiko.
Vielleicht als er das sehen musste, unvergessen und nie ausgeräumt,
begann der Zerfraß des Weges zu seinem Herzen?

(J.P. verstarb am 09. Juli bei seiner OP in Bad Berka.)  

Autor:

Martin Steiger

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