Das Lachen – in die Wiege gelegt

Foto: Diana Steinbauer

Lachen ist eine besondere Begabung des Menschen. Doch zeitweise stellte das Christentum die dem Menschen in die Wiege gelegte Gabe in Frage. Eine Geschichte des Lachens.

Von Günter Schenk

Lachen ist eine besondere Begabung des Menschen. Diese Erkenntnis wird dem griechischen Philosophen und Platon-Schüler Aristoteles zugeschrieben. Kein Wunder, denn für die antiken Griechen und Römer gehörte das Lachen zum Alltag. Darüber wurde nie nachgedacht. Doch mit dem Christentum entwickelte sich eine erste große Debatte über die Funktion des Lachens. So argumentierten viele Kirchenmänner, Jesus habe nie gelacht. Zumindest finden sich in der Bibel dafür keine Belege. Lachen also, folgerten sie daraus, sei dem Menschen fremd, zumindest dem Christenmenschen. Unter Mönchen zum Beispiel war das Lachen jahrhundertelang verpönt.

Die Einstellung der Kirche änderte sich
Mit der Zeit aber änderte sich die Einstellung der Kirche. Es wurde üblich, die Gläubigen im Ostergottesdienst zum Lachen zu bringen. So wie man heute in vielen Gottesdiensten zu Fastnacht versucht, die Kirchgänger mit Mundart-Predigten oder witzigen Glaubensbekenntnissen zu unterhalten, war es jetzt kirchliches Ziel, die mit der Auferstehung Jesu verbundene Freude am höchsten Fest im Kirchenjahr deutlich zu artikulieren. Im Zeitalter der Gegenreformation setzten die Jesuiten auf die Kraft des Lachens, indem sie während ihrer Predigten dem des Schreibens und Lesens meist unkundigen Kirchenvolk Karikaturen zeigten, Grimassen schnitten und Witze machten. Das Lachen wurde immer gesellschaftsfähiger, ehe es mit dem reformierten Karneval Anfang des 19. Jahrhunderts ein ganz neues Ventil fand. Mit dem Kabarett und später der Comedy gab es schließlich ganz neue Plattformen zum Lachen. Ende des 20. Jahrhunderts war so die Spaßgesellschaft geboren.
Heute sorgt eine Armada professioneller Witzbolde für die Bespaßung der Gesellschaft, die freilich immer weniger lacht. Unter Erwachsenen, so sind sich die Lachforscher einig, schwindet das Lachen immer mehr. Das liegt nicht nur an der mangelnden Qualität des Witzes, der viele Zeitgenossen heute via Smartphone fast im Sekundentakt erreicht, sondern vor allem auch an der Art unserer Kommunikation. Denn Lachen entfaltet seine Kraft nur in der Gemeinschaft. Ein gewichtiger Grund, wirklich Witziges aus dem Internet sofort mit anderen zu teilen.
Inzwischen haben sich weltweit mehr als 200 Forscher auf die Spuren des Lachens geheftet. Evolutionsbiologen zum Beispiel gehen längst davon aus, dass das Lachen älter ist als unsere Sprache.
Dem Menschen, das ist eindeutig bewiesen, werden Lächeln und Lachen in die Wiege gelegt. Sie sind in uns gespeichert, weshalb auch Menschen, die taubstumm zur Welt kommen, herzhaft lachen können. Das Lächeln der Neugeborenen ist noch ein Reflex, spätestens nach sechs Wochen aber tritt an seine Stelle ein echtes Lächeln. Es wird all denen zuteil, die mit dem Säugling Kontakt aufnehmen. Damit ist aber auch klar, dass Lachen nach Interaktion verlangt.
Interessant ist, dass rund 80 Prozent aller Lacher nicht auf einem Witz oder einer Pointe basieren. »Wir lachen nicht, weil etwas lustig ist, sondern vor allem, um soziale Bindungen aufzubauen, weil wir dabei schöne Dinge teilen und mitteilen wollen«, sagt der Humanbiologe Carsten Niemitz. Lachen sei eine nonverbale Sprache, mit der sich schon die Steinzeitmenschen verständigt hätten. Wenn sie gemeinsam lachten, teilte jeder jedem mit, dass es ihm gut gehe.

Heilsame Begleiterscheinungen
»Lachen ist gesund«, heißt es im Volksmund. Viele Eltern kitzeln deshalb ihre Kinder an den Füßen. Schon der griechische Philosoph Sokrates aber merkte, dass Kitzeln nur bis zu einem gewissen Grad angenehm ist und danach in Schmerz übergehen kann. So ziehen Kinder auch in der Regel ihren Fuß zurück, wenn sie die Erwachsenen an der Sohle kitzeln. Wenn nicht, baut der Körper über das Kleinhirn eine Spannung auf, die schließlich über das Zwerchfell als Lachen abgeführt wird.
»Das Lachen hat dann etwas Eruptives, Krampfhaftes«, erklärt der Kulturwissenschaftler und Lachforscher Rainer Stollmann. »Es ist wie ein epileptischer Anfall, der Spaß macht. Bliebe er aus, würde das Kitzeln sofort zum Schmerz führen, doch durch das Ablachen der Spannung gewinnen wir noch etwas Zeit, bis er kommt.«
Ein Witz kommt ohne Körperberührung aus. Trotzdem wirkt er, so Stollmann, über unsere »Vernunft-Haut« ähnlich wie das Kitzeln. Auch er baut Spannung auf, die sich schließlich im Lachen entlädt. Manche Lachforscher sind deshalb der Ansicht, ein paar Minuten Lachen hätte dieselben Effekte wie 20 Minuten Joggen.
Lachen allein aber macht nicht gesund. Es sind vielmehr seine Begleiterscheinungen, die heilsam sind. Denn weil wir beim Lachen tiefer atmen, wird der ganze Körper besser mit Sauerstoff versorgt. Darüber freut sich das Immunsystem, das unseren Körper gegen Bakterien und Viren schützt. Das Blut, das man lachenden Testpersonen abnahm, enthielt deutlich mehr Abwehrstoffe als das Blut der nicht lachenden Kontrollgruppe. Schon wenige Minuten nach einem Lachanfall stellt sich im Körper zudem eine anhaltende Entspannungsphase ein. Der Blutdruck sinkt, Stresshormone werden weniger. Allerdings, schränkt die Wissenschaft ein, wirkt nicht jedes Lachen entspannend. Brechen wir in Gelächter aus, weil wir uns wohlfühlen, hat dies andere emotionale Wirkungen, als wenn wir aus Schadenfreude oder Verlegenheit lachen.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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