Nicht ganz Trumps Amerika

100 Tage im Amt: Am 20. Januar wurde Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt – ein erstes Resümee.

Von Konrad Ege

Präsident Trump verwirrt. Erst war er skeptisch wegen des US-Militäreinsatzes in Syrien, dann schickte er Marschflugkörper. Im Konflikt um das nordkoreanische Atomprogramm setzt er auf eine verstärkte Präsenz seines Militärs im Pazifik. Russland mutierte zum »Bad Guy« (bösen Buben). Doch viel wirklich Superneues gibt es nicht in den USA: Zur Person Donald Trump ist Amerika nach wie vor gespalten. Dessen Sprüche und Programme bleiben nationalistisch, ziemlich radikal marktorientiert. Die Umsetzung stößt allerdings auf beträchtliche Opposition.
Drei Monate Donald Trump im Weißen Haus beziehungsweise an Wochenenden: Donald Trump im Mar-a-Lago Luxusresort in Palm Beach in Florida – wo die Kronleuchter funkeln, das Sonnenlicht auf dem Wasser glitzert und der Privatstrand am Atlantik eben privat ist. Doch manchmal entsteht der Eindruck, der Präsident sehne sich zurück nach dem Wahlkampf. Das mit dem Regieren ist gar nicht so einfach, trotz seiner Twitter-Ausbrüche zu allem Möglichen und der großen Trump-Statements zu Wirtschaftsbelebung und Sicherheit. Gerne tritt der Präsident auf bei Großveranstaltungen in Kentucky und Tennessee und anderswo, wo »seine Leute« groß für ihn gestimmt haben, und viele offenbar noch heute darauf vertrauen, dass Trump ihre Lebensumstände verbessern und Amerika wieder großartig machen wird.
Im Mai spricht Trump bei der Abschlussfeier der evangelikalen »Liberty University« in Virginia. Deren Chef Jerry Falwell zählt zu Trumps engsten evangelikalen Fans; er verteidigte Trump auch zu Zeiten, als der Kandidat wegen frauenfeindlicher Bemerkungen ins Schlingern kam. Falwell erklärte im »Christian Broadcasting Network«, Trumps Unterstützer, »einschließlich mehr als 80 Prozent der evangelikalen Community, sind begeistert«. Dass die »Mainstream Medien … ihn ständig angreifen … mit grundlosen und unehrlichen Behauptungen, ist Zeichen, dass Präsident Trump wunderbare Arbeit leistet«.
Trumps Amerika und viele Trump-Wähler sehen sich als Opfer von gegen sie gerichteten Veränderungen – demografische, kulturelle, und wirtschaftliche. Kandidat Trump hatte kaum konkrete Pläne vorgelegt, vielmehr das Gefühl vermittelt, in seinem Amerika werde der von Regierung und »Estab­lishment« vergessene Amerikaner Gehör finden. Und nun? Die Kluft zwischen Reden und Regieren trat krass hervor bei Präsident Trumps erstem großen Realitätstest, dem fest versprochenen Abschaffen der Krankenversicherung »Affordable Care Act«, im Volksmund Obamacare genannt – angeblich ein »Desaster« wegen der Versicherungspflicht und hoher Kosten.
Trumps Alternative scheiterte trotz der republikanischen Mehrheit im Kongress. Manchen Politikern war sie nicht marktorientiert genug, andere waren schockiert von der Analyse des überparteilichen Haushaltsbüros, vierzehn Millionen Menschen würden 2018 bei »Trumpcare« ihre Versicherung verlieren. Gegenwärtig haben manche Republikaner Probleme, den in Trumps Haushaltsentwurf vorgesehenen sozia­len Kahlschlag zu verkaufen. Er passt zum ideologischen Wunsch nach wenig Regierung, täte jedoch auch vielen Trump-Wählern weh.
Öffentlichkeitswirksam waren die Inszenierungen, bei denen Trump mit einem dicken Stift Exekutivanordnungen unterzeichnete: Zu Einreisebeschränkungen für Muslime und Flüchtlinge, für die Mauer an der Grenze zu Mexiko, für den Bau von Erdöl-Pipelines und gegen Umwelt- und sonstige Vorschriften, mit denen die Industrie und die fossile Energie laut Trump behindert worden seien.
Gerichte haben die neuen Einreiseregeln erst einmal blockiert, und mit den anderen Vorschriften hat Trump auch eine Oppositionsbewegung belebt. Viele hundert neue Aktionsgruppen sind gegründet worden. Abgeordnete und Senatoren berichten von in diesem Ausmaß noch nie dagewesenen telefonischen, E-Mail- und persönlichen Kontakten von Wählern – die meisten gegen Trump.
In den acht Barack-Obama-Jahren irgendwie zufrieden vor sich hindösende Menschen aus dem progressiven Spektrum sind politisch wieder erwacht. Viele junge Leute, viele Frauen. Hauptsächlich in Städten, nicht so sehr auf dem Land. Es sind dezentrale Bewegungen, von denen man freilich nicht weiß, wieviel Standvermögen sie haben und ob aus Protest politische Macht werden kann.
Kirchen und religiöse Gruppen, die bei der Bürgerrechtsbewegung und der Friedensbewegung oft zentral waren, sieht man weniger. Manchmal kommen kirchliche Statements gegen Trumps Einwanderungspolitik oder gegen soziale Kürzungen, doch prägend ist das nicht. Und gleichzeitig begrüßen konservative Kirchen und die römisch-katholische Donald Trumps Haltung gegen legalisierte Abtreibung.
Im US-Rundfunksender NPR läuft seit Januar jeden Abend eine interessante Talkshow, genannt »Indivisible« (unteilbar). Die Moderatoren tun das, was es im Amerika in der Trump-Ära nicht oft gibt: Sie bringen Menschen miteinander ins Gespräch, die in ihrer Haltung zu Trump an entgegengesetzten Polen stehen.
Eine kürzlich ausgestrahlte Show hat sich mit dem »amerikanischen Traum« befasst. Für viele Menschen habe dieser Traum nie funktioniert, sagten die einen. Andere vertraten die Auffassung, der Traum sei ihnen entglitten, und der neue Präsident werde ihn zurückbringen. Trumps Amerika ist für viele Menschen Glaubenssache. Vor seinem Sieg haben viele US-Amerikaner geglaubt, wie Ex-First Lady Michelle Obama zuversichtlich vermittelte, dass das Land nicht für so einen Kandidaten stimmen würde. Obama hat übersehen, was Trump einmal in einer Wahlkampfrede in Iowa formulierte: »Ich könnte auf der Fünften Avenue mitten auf der Straße stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren.«
Trumps Fans wollten und wollen glauben, dass hier einer kommt, der die Wahrheit sagt, und »die anderen« in ihre Schranken weist. Doch irgendwann werden sie wohl Resultate sehen wollen. Aber ob die Opposition dann in der Lage ist, enttäuschte Menschen anzusprechen? Der Ausgang ist vollkommen offen.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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