Myanmar: Gebilligter Exodus

Von Natalia Matter

Als sie den Friedensnobelpreis mit 21 Jahren Verspätung entgegennahm, weil das Militär in Myanmar sie über Dekaden eingesperrt hatte, galt Aung San Suu Kyi als absolute Freiheits-Ikone. Im Konflikt mit der muslimischen Minderheit in ihrem Land zeigt die inzwischen De-facto-Regierungschefin ein ganz anderes Gesicht.
Während die Rohingya in ihrem Siedlungsgebiet im Westen Myanmars vom Militär und militanten Buddhisten verfolgt werden, fordern inzwischen die Vereinten Nationen (UN), der Papst und Menschenrechtler weltweit ein Eingreifen Suu Kyis. Doch die Appelle prallen an ihr ab. Stattdessen verteidigt sie das brutale Vorgehen des Militärs. Laut den UN sind in den vergangenen Wochen Hunderte Rohingyas getötet worden, Zehntausende fliehen ins benachbarte Bangladesch.
Das mehrheitlich buddhistische Myanmar verweigert der muslimischen Volksgruppe den Status als Minderheit und die Bürgerrechte, obwohl viele von ihnen seit Generationen im Land leben. Nachdem eine Rohingya-Miliz im Oktober 2016 Grenzposten der Polizei attackiert hatte, begann ein gnadenloser Feldzug der Armee. UN-Vertreter und Menschenrechtler werfen dem Militär Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen vor.
Papst Franziskus, der im November nach Myanmar und Bangladesch reisen wird, forderte die politisch Verantwortlichen auf, den Rohingya ihre vollen Rechte zuzugestehen. Bereits vor Monaten hatte er deren Verfolgung scharf kritisiert. Sie würden gefoltert und getötet, weil sie an ihren Traditionen und ihrem Glauben festhielten.
Doch die 72-jährige Suu Kyi hat sich Kritikern zufolge auf die Seite der Armee und der buddhistischen Nationalisten geschlagen. Zwar kontrolliere sie das Militär nicht, dennoch habe sie in ihrer moralischen Verantwortung versagt, sagen Menschenrechtler. Welche Strategie Suu Kyi damit verfolgt, bleibt rätselhaft.
»Eine der am meisten gefeierten Menschenrechts-Ikonen unserer Zeit ist heute eine Verteidigerin von Genozid, ethnischen Säuberungen und Massenvergewaltigungen«, schrieb der britische Autor Mehdi Hasan auf der Investigativ-Plattform »The Intercept«.
Angesichts einer neuen Gewaltwelle seit Ende August wirft die »Gesellschaft für bedrohte Völker« Suu Kyi Totalversagen vor. Die Regierung macht die militante muslimische »Arakan Rohingya Salvation Army« für die Ausschreitungen verantwortlich und bezichtigt ausländische Hilfsorganisationen, die Extremisten zu unterstützen.
Ob Suu Kyi die Empfehlungen der von ihr eingesetzten Kommission unter dem früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan umsetzen wird, die Diskriminierungen gegen die Rohingya aufzuheben, ist unwahrscheinlich. Auch lehnt ihre Regierung eine UN-Untersuchungsmission ab.
Ende 2016 forderten 23 Friedensnobelpreisträger, Politiker und Aktivisten in einem offenen Brief ein Eingreifen der UN: Die Gewalt gegen die Rohingya zeige Merkmale eines Völkermordes und erinnere an Tragödien wie in Ruanda, Darfur, Bosnien und dem Kosovo. Die pakistanische Kinderrechtsaktivistin, UN-Friedensbotschafterin und Friedensnobelpreisträgerin von 2014, Malala Yousafzai, die das Schreiben mit unterzeichnet hatte, erklärte jüngst auf Twitter, sie habe die »tragische und beschämende Behandlung der Rohingya« wiederholt verurteilt. Sie warte darauf, dass Suu Kyi dasselbe tue: »Die Welt wartet und die Rohingya-Muslime warten.«(epd)

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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