Willkür, Demütigung, Zurücksetzung

Christlich erzogene Kinder und Jugendliche in der DDR litten häufig unter Repressalien. Das Foto links zeigt Kinder beim Evangelischen Kirchentag in Erfurt 
(10. bis 12. 6. 1988), das rechte Bild Traugott Schmitt mit Konfirmanden 1982 in Rudolstadt. | Foto: epd-bild/Bernd Bohm; privat
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  • Christlich erzogene Kinder und Jugendliche in der DDR litten häufig unter Repressalien. Das Foto links zeigt Kinder beim Evangelischen Kirchentag in Erfurt
    (10. bis 12. 6. 1988), das rechte Bild Traugott Schmitt mit Konfirmanden 1982 in Rudolstadt.
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Die größte Verfolgtengruppe in der DDR waren Christen, so der Thüringer Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Christian Dietrich.

Von Diana Steinbauer

Die Diskriminierung der Christen in der DDR lässt sich freilich nicht mit der Christenverfolgung im Alten Rom vergleichen. Sie war weniger brutal und nicht so stringent wie etwa die Verfolgung im Altertum. Viele Christen in der DDR litten unter Repressionen und Einschränkungen in Leben, Ausbildung und Arbeit. Andere wiederum weniger oder gar nicht.
»Das Wesen einer Diktatur zeigt sich in ihrer Willkür«, erklärt Christine Lieberknecht, ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin und frühere Pfarrerin im Weimarer Land. »Und so verfuhr die Diktatur auch willkürlich mit Christen.« Lieberknecht, Jahrgang 1958, wuchs in einem protestantischen Pfarrhaus auf. Sie zeigte offen ihr christliches Bekenntnis. Dennoch durfte sie, anders als viele andere, die Erweiterte Oberschule (EOS) besuchen, das Abitur ablegen und studieren.
Sie erinnert sich, dass sie sich immer wieder als Christin habe behaupten müssen, nicht nur im Staatsbürgerkundeunterrricht. »Ich habe Paroli geboten, doch war ich nicht allein. Man musste sich als Christ immer wieder bewähren und diese Situation auch aushalten können. Ich habe mich behauptet und muss sagen, dass es trotz aller Schikanen eine spannende Jugendzeit war.«
Lieberknecht betont aber, man solle sich davor hüten, das eigene Erleben zum Maßstab zu erheben. Sie selbst kenne dafür auch viel zu viele Menschen, denen es anders erging als ihr. Auch beim Thema Christen in der DDR gäbe es keine allgemeine Wahrheit, so Lieberknecht.
Traugott Schmitt, Superintendent i. R. aus Rudolstadt, hat von Beginn der DDR an erlebt, wie der Staat immer härter gegen Christen vorging. Schmitt, gebürtig aus Ostpreußen, wurde 1955 Vikar im Kreis Sonneberg, später arbeitete er als Pfarrer im Thüringer Wald und in Rudolstadt.
»Meine Kinder haben viel mitgemacht«, erinnert sich Schmitt, »aber auch die anderen Schüler, die sich für die Konfirmation und gegen die Jugendweihe entschieden. Sie und ihre Familien wollte ich unterstützen.« Schmitt machte viel Jugendarbeit, kannte die Sorgen derer, die zur Christenlehre, zum Konfirmandenunterricht und zu Treffen der Jungen Gemeinde kamen. »Diese Jugendlichen wurden permanent gedemütigt. Sie wurden in ihrem ganzen Leben gehemmt«, so Schmitt. »Viele sind weggeblieben, weil sie innerlich durch diesen Druck zerstört wurden.«
Schmitt erzählt von einem jungen Mann, Winfried, den er seinerzeit im Thüringer Wald begleitete. Winfried war ein guter Schüler, guter Musiker und bekennender Christ. Ihm wurden zahlreiche Steine in den Weg gelegt, der Schulleiter seiner Schule tat alles, um Winfried zu demütigen und jeglichen schulischen Aufstieg zu verhindern. Das habe den jungen Mann für das ganze Leben gezeichnet.
Als 1983 in Cumbach Schülern das Tragen eines Schmuckkreuzes bei Strafe verboten wurde, versuchte Schmitt gar ein Gerichtsverfahren anzuregen. »Ich war sie leid, die Gespräche hinter verschlossenen Türen, von deren Ausgang dann keiner mehr wissen wollte. Ich wollte das Unrecht öffentlich machen.« Schmitts Versuch scheiterte, aber mundtot machen ließ sich der Seelsorger dennoch nicht.
Hilflose Wut kennen viele Christen, die damals die Schikanen des Staates über sich ergehen lassen mussten. Schmitt kennt sie auch aus dem engsten Kreis seiner Familie. Seine jüngste Tochter Constanze, geboren 1967, war davon am stärksten betroffen. Con-
stanze war kein Mitglied einer Kinder- oder Jugendorganisation des Regimes und sie nahm auch nicht am Wehrunterricht teil. Nicht nur einmal wurde sie von SED-Lehrern ins Kreuzverhör genommen und bedrängt. »Sie hat sich tapfer gewehrt und als ein Lehrer sagte, ›Quatsch Kirche‹, antwortete sie, ›wenn Sie Quatsch Kirche sagen, sage ich Quatsch SED‹«. Ein Skandal.
Constanze weinte oft daheim, nicht aber in der Schule. Sie wurde ausgegrenzt, von Ausflügen ausgeschlossen. »Als es daranging, eine Lehrstelle zu finden, fuhr meine Frau jede Woche zu mehreren Betrieben, um einen Ausbildungsplatz für die Tochter zu bekommen. Die vielen Neins, mit Häme vorgetragen, waren schlimm«, erinnert sich Schmitt. Letztlich wurde Constanze im Diakonissenhaus in Eisenach zur Krankenschwester ausgebildet. Später machte sie doch ihr Abitur und studierte. »Ich habe den Eindruck«, sagt Schmitt heute, »das Abitur war für meine Tochter die Rehabilitation für all die Demütigungen und Zurücksetzungen ihrer Kindheit und Jugend.«

Christlich erzogene Kinder und Jugendliche in der DDR litten häufig unter Repressalien. Das Foto links zeigt Kinder beim Evangelischen Kirchentag in Erfurt 
(10. bis 12. 6. 1988), das rechte Bild Traugott Schmitt mit Konfirmanden 1982 in Rudolstadt. | Foto: epd-bild/Bernd Bohm; privat
Foto: epd-bild/Bernd Bohm; privat
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