Fanal einer Selbsttäuschung

Friedrich Schorlemmer | Foto: privat
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Kritik: Ostdeutsche Theologen ziehen negative Bilanz des Reformationsjubiläums

Knapp zwei Monate vor Abschluss der Feiern zum 500. Reformationsjubiläum ziehen die ostdeutschen Theologen Friedrich Schorlemmer und Christian Wolff eine kritische Bilanz des Gedenkjahres. Auf dem Weg zum 31. Oktober 2017 sei es versäumt worden, die »Krise der Kirche in der säkularen Gesellschaft offen anzusprechen« und neue Visionen zu entwickeln, heißt es in dem Memorandum »Reformation in der Krise – Wider die Selbsttäuschung«. Ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wies die Argumentation der beiden prominenten Protestanten aus Wittenberg und Leipzig zurück. Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, hob indes die positiven Erfahrungen hervor, die bei den regionalen Kirchentagen gemacht worden seien. Die Reformationsbotschafterin der EKD, Margot Käßmann, reagierte mit Zurückhaltung auf die Streitschrift. Nach dem Reformationstag werde die 500-Jahr-Feier selbstverständlich ausgewertet, dabei werde auch das Memorandum der beiden Pfarrer berücksichtigt.
Schorlemmer und Wolff schreiben, vor allem die Kirchentage auf dem Weg seien »zum Fanal einer grandiosen Selbsttäuschung« geworden. Der Kirchentagsapparat habe den acht mitteldeutschen Austragungsstädten ein »Mammutprogramm übergestülpt«, kritisierten der langjährige Leipziger Thomaskirchen-Pfarrer Wolff und Schorlemmer, der in das Jubiläumsprogramm in der Lutherstadt eingebunden war.
Sechs regionale Protestantentreffen hatten Ende Mai den zentralen Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin begleitet. Insgesamt kamen zu den dreitägigen Regional-Kirchentagen etwa 50 000 Besucher. Insbesondere die Besucherzahl von 15 000 in Leipzig blieb hinter den Erwartungen zurück.
Der Bedeutungsverlust der Kirchen schreite mit wachsender Intensität voran, heißt es in dem Memorandum von Schorlemmer und Wolff, über das zuerst die »Leipziger Volkszeitung« berichtet hatte. Kritik üben die Autoren auch an dem 2006 initiierten Reformprozess der EKD. Dieser sei mehr oder weniger im Sande verlaufen: »Was damals ›Leuchtfeuer‹ entfachen sollte, ist mehr oder weniger erloschen. Feuer kann eben nicht kirchenamtlich ›von oben‹ verordnet werden.«
Schorlemmer und Wolff beobachten zudem einen »dramatischen Traditionsabbruch« in den Gemeinden vor Ort. »Glaube und Bildung, durch die Reformation miteinander verbunden, fallen heute auseinander«, beklagen die Theologen weiter: »Wenn wir dem faktischen biblischen Analphabetismus und dem Traditionsabbruch innerhalb der Kirchen nicht offensiv begegnen, wird sich die Kirche weiter marginalisieren.«(epd)

www.wolff-christian.de

Friedrich Schorlemmer | Foto: privat
Christian Wolff | Foto: Armin Kühnet
Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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