Mission und Pietismus
Unterwegs im Namen des Herrn

Erfolgreiche Missionsreise: Noch heute zeigt man im südindischen Tranquebar im ehemaligen Wohnhaus des Hallenser Missionars Bartholomäus Ziegenbalg die von ihm benutzte Taufschale. | Foto: Franckesche Stiftungen Halle
  • Erfolgreiche Missionsreise: Noch heute zeigt man im südindischen Tranquebar im ehemaligen Wohnhaus des Hallenser Missionars Bartholomäus Ziegenbalg die von ihm benutzte Taufschale.
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Weltreisende: Christliche Mission unter fremden Völkern und Kulturen gehörte von Anfang an zum Selbstverständnis des Pietismus in Deutschland – zum Beispiel bei August Hermann Francke.
Von Claus Veltmann

Aus den programmatischen Schriften August Hermann Franckes (1663–1727) wissen wir, dass dieser schon früh das Bestreben hatte, die ganze Welt im pietistischen Sinne zu bessern. Deshalb sah er seine Anstalten in Halle nur als Ausgangspunkt für eine universale Reich-Gottes-Arbeit, aus deren Schulen man »stets wohlgerathene Pflanzen und Bäume herausnehmen, an andere Orte und in andere Länder aller Theile der Welt und unter alle Nationes versetzen und von ihnen völlige Früchte erwarten … könnte.« Deshalb war er auch sehr an den Plänen von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) zur Realisierung einer christlichen Mission in China interessiert. Eine große Rolle dabei spielte auch Russland, dessen Hinwendung zu Europa unter Zar Peter I. (1672–1725) den Landweg nach China öffnete. Ab 1697 kommunizierten Leibniz und Francke über dieses Projekt, jedoch wurde es niemals realisiert. Nichtsdestoweniger blieb Francke zeitlebens an Russland interessiert, schickte Schüler dorthin und baute ein pietistisches Netzwerk unter Einbeziehung dort lebender deutscher Protestanten auf.
Als 1705 vom dänischen Königshof die Anfrage an Francke kam, ob er zwei Theologen zur Missionsarbeit in der dänischen Handelsniederlassung Tranquebar im Südosten Indiens auswählen könne, reagierte Francke sofort. Aus Halle wurden die Theologen Bartholomäus Ziegenbalg (1682–1719) und Heinrich Plütschau (1676–1752) dorthin entsandt – dies war der Beginn der ersten protestantischen Mission überhaupt. In den folgenden Jahren dehnte sich das Arbeitsgebiet der halleschen Missionare auch auf die von den Engländern kontrollierten Gebiete in Indien aus. Insgesamt arbeiteten 50 aus Halle entsandte Missionare zwischen 1706 und 1837 in Indien.
Auch auf Nordamerika richtete sich das Interesse August Hermann Franckes. So korrespondierte er mit dem in Boston lebenden puritanischen Theologen Cotton Mather (1663–1728). Außerdem ließ er sich von ausgewanderten deutschen Lutheranern über die Zustände in den nordamerikanischen Kolonien informieren. So stand er in Kontakt mit dem nach Pennsylvania ausgewanderten deutschen Pfarrer Daniel Falckner (1666–1744), als dieser von 1698 bis 1700 nochmals Deutschland besuchte. Francke legte ihm sogar einen Fragebogen über die Situation in Pennsylvania vor, den Falckner zusammen mit seinen Antworten als Buch veröffentlichte: »Curieuse Nachricht von Pennsylvania in Norden-America: welche auf Begehren guter Freunde über vorgelegte 103 Fragen bei seiner Abreiß aus Teutschland nach obigem Lande Anno 1700 ertheiltet und nun Anno 1702 in den Druck gegeben worden.«
Zwar baten in der Folge nach Pennsylvania ausgewanderte deutsche Lutheraner Francke um die Entsendung eines Pfarrers, jedoch ist es dazu zu Franckes Lebzeiten nie gekommen. Jedoch begleiteten 1733 zwei Schüler Franckes protestantische Salzburger, die von ihrem Landesherrn vertrieben worden waren und vom englischen Hof die Erlaubnis zur Ansiedlung in der neuen Kronkolonie Georgia bekamen, dorthin. Bis ins 19. Jahrhundert hinein betreuten aus Halle entsandte Pfarrer die Salzburger Emigranten und deren Nachkommen in der von ihnen gegründeten Siedlung Eben Ezer.
Von weit größerer Bedeutung, vor allem für die weitere Geschichte der lutherischen Kirche in den USA, war die Entsendung von Heinrich Melchior Mühlenberg (1711–1787) durch Gotthilf August Francke (1696–1769) nach Pennsylvania. Auch dort sollte er ausgewanderte deutsche Lutheraner als Pfarrer betreuen, und aufgrund von deren großer Zahl folgten ihm in den folgenden Jahrzehnten weitere aus Halle kommende Pfarrer dorthin nach. Für das aufblühende lutherische Kirchenwesen in Pennsylvania musste Mühlenberg eine den dortigen Bedingungen angepasste Kirchenverfassung schaffen, wodurch er zum Patriarchen der lutherischen Kirche in Nordamerika wurde.
Generell lösten die universellen Ziele Franckes und seiner Nachfolger im Direktorenamt der Stiftungen zahlreiche Reiseaktivitäten von Personen aus deren Umfeld aus. Die Bedeutung des Reisens für den Halleschen Pietismus macht die Jahresausstellung 2018 der Franckeschen Stiftungen anschaulich: »Durch die Welt im Auftrag des Herrn. Reisen von Pietisten im 18. Jahrhundert.« Sie wird noch bis zum 16. September im Historischen Waisenhaus präsentiert.

Der Autor ist Kustos in den Franckeschen Stiftungen in Halle.
www.francke-halle.de

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Online-Redaktion

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