Evangelische Christen laden zum Gedenken, zu Aktionen und Lesungen
Erinnerung am 9. November an Pogromnacht und Mauerfall

Foto: Pixabay

Kirchengemeinden und Kirchenkreise der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) erinnern im November an die Reichspogromnacht am 9. November im Jahr 1938 sowie an den Fall der Mauer am 9. November 1989. Friedensgebete, Gottesdienste, Gedenkfeiern, Lesungen und Aktionen sind geplant.

Ausgewählte Veranstaltungen in Thüringen:

Am 9. November findet in Gera am Denkmal der einstigen Synagoge in der Schülerstraße um 16.30 Uhr die Gedenkveranstaltung der Stadt statt. Die Gemeinschaft der christlichen Gemeinden lädt 17 Uhr in die Trinitatiskirche zu einem ökumenischen Gottesdienst ein. In diesem Jahr soll der Blick auf Polen gerichtet werden. So wird Irena Sendler gewürdigt, die dort zahlreiche jüdische Kinder vor dem Tod gerettet hat und von der das Zitat stammt: „Ich habe schon als Kind gelernt, dass man Ertrinkende retten muss, unabhängig von ihrer Religion oder Nationalität“. Auch an den polnischen Offizier Witold Pilecki wird erinnert, „er ließ sich in das Konzentrationslager Auschwitz einliefern, um dort den Widerstand gegen die Todesmaschinerie zu unterstützen“, so die Veranstalter. Das Ensemble „Folk(s)bardisten“ begleitet den Gedenkgottesdienst musikalisch.

In Themar verlegen am 9. November der Verein „Themar trifft Europa“ (TtE) und die Stadt 15 Stolpersteine an vier ehemaligen Wohnorten für durch das NS-Regime ermordete und vertriebene jüdische Bürgerinnen und Bürger. Im Anschluss lädt der Städtepartnerschaftsverein TtE zu einem Empfang ein, um mit Nachfahren der Familien und den Organisatoren ins Gespräch zu kommen. Ein prominenter Gast ist die aus Kanada angereiste Historikerin Prof. Sharon Meen, die seit 2008 die familiären Zusammenhänge der jüdischen Familien in Themar erforscht. Renate Mayer-Merkl aus Köln wird an die Familie ihres Vaters erinnern. Musikalisch begleitet wird die Zeremonie von Ralf Kummer und Ulrich Hess (Klarinette und Gitarre). Außerdem wird ein Flyer „Sie waren Themarer“ mit einer Übersicht über die 67 Stolpersteine an 15 Verlegeorten in Themar präsentiert. Um 19 Uhr wird in der Regelschule Anne Frank zu einer szenischen Lesung „Ernst Toller, Eine Jugend in Deutschland“ eingeladen.

Am 9. November beginnt in Saalfeld um 17 Uhr an der Kirche Corpus Christi ein Stadtspaziergang zu Stationen „Jüdisches Leben“, der Abschluss bildet ein Friedensgebet um 18 Uhr in der Johanneskirche.

In Schleusingen lädt die Evangelische Kirchengemeinde um 18.30 Uhr zu einem Friedensgebet mit dem Motto „Andacht gegen das Vergessen“ an der Gedenkstele an der ehemaligen Synagoge ein. „Wir erinnern an dieses dunkelste Kapitel deutscher Geschichte und laden alle Menschen ein, die ein Zeichen gegen Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass gegen Andersdenkende und Andersseiende setze“, teilen die Veranstalter mit.

In Bad Salzungen ist eine Andacht unter dem Titel „Shed your light on me - lass dein Licht in meinem Herzen aufleuchten“ zum Gedenken an die November-Progrome geplant (16 Uhr, Stadtkirche St. Simplicius). Anschließend führt ein Stadtrundgang mit dem Motto „Lasst die Steine sprechen“ über vier Stationen entlang der Stolpersteine, Abschluss ist am Mehrgenerationenhaus. Die Aktion organisiert der Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis Bad Salzungen-Dermbach mit dem Bündnis für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit.

Das alljährliche Pogromgedenken in Mühlhausen findet um 18 Uhr auf dem jüdischen Friedhof (Eisenacher Str./Langensalzaer Landstraße) statt. Es sollen Kerzen oder andere Lichtquellen mit gebracht werden. Vom jüdischen Friedhof aus gehen die Teilnehmer zur Turnhalle am Kristanplatz. Hier werden die Namen der Opfer der Novemberpogrome der Stadt verlesen. Der Abschluss findet in der Synagoge statt.

Im Gedenken an den Mauerfall liest Lutz Seiler am 9. November um 19.30 Uhr in der Bachkirche Arnstadt aus seinem Roman „Kruso“. Der mit dem Deutschen Buchpreis und Uwe-Johnson-Preis sowie Kakehashi-Literaturpreis ausgezeichnete Roman schlägt einen Bogen vom Sommer 89 bis in die Gegenwart. Für Musik sorgt das Duo Basso aus Arnstadt. Lutz Seiler wurde 1963 in Gera/Thüringen geboren, heute lebt er in Wilhelmshorst bei Berlin und in Stockholm.

Ausgewählte Veranstaltungen in Sachsen-Anhalt:

In Stendal treffen sich Menschen zum Pogromgedenken (9. November, 16.30 Uhr) vor dem Bestattungshaus Gräser am Nebeneingang des Friedhofes – von dort aus geht es dann mit Kerzen auf den jüdischen Friedhof und anschließend zum Standort der zerstörten Synagoge von Stendal.

In Lutherstadt Wittenberg ist die Stätte der Mahnung unter der antijüdischen Schmähplastik an der Stadtkirche geprägt durch die lebendige Gedenkkultur der Wittenberger Bürgerinnen und Bürger. Auch in diesem Jahr lädt die Evangelische Akademie in Zusammenarbeit mit der Stadtkirchengemeinde zum öffentlichen Gedenken (9. November, 18 Uhr) an die Stätte der Mahnung ein. Erinnert wird an die Opfer des Nationalsozialismus und die systematische Vernichtung des europäischen Judentums, die spätestens mit den Novemberpogromen von 1938 eine unübersehbare, dramatische Gestalt angenommen hatte. Zum Novembergedenken spricht Akademiedirektor Pfarrer Christoph Maier. Zu Wort kommen auch Jugendliche, die mit dem Projekt „Stelen und Steine“ der Jungen Akademie für die Unübersehbarkeit der Haltungen und Vorgänge jener Zeit sorgen.

Die Novemberpogrome des Jahres 1938 markierten den brutalen Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden zu ihrer systematischen Vertreibung und Ermordung. Auch in Halle (Saale) gab es Gewalt und Plünderungen. Die Synagoge am Großen Berlin wurde zerstört und in den auf die Pogromnacht folgenden Tagen und Wochen wurden Dutzende jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Konzentrationslager verschleppt. Alljährlich gedenkt die Stadt am 9. November der Opfer jener Gewaltexzesse. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Halle beteiligt sich an dieser Gedenkveranstaltung (9. November, 16 Uhr) am Mahnmal Jerusalemer Platz.
Der Evangelische Kirchenkreis Magdeburg und die Landeshauptstadt Magdeburg laden gemeinsam zum Gedenken an die Novemberpogrome des Jahres 1938 ein. Das Gedenken wird gemeinsam mit jüdischen Menschen der Stadt Magdeburg sowie mit Vertreterinnen und Vertretern von Kirche, Stadt und Land sowie Schülerinnen und Schülern des Geschwister-Scholl-Gymnasiums gestaltet. Superintendent Stephan Hoehnen und Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper laden dazu (9. November, 17.30 Uhr) in das Forum Gestaltung ein. Anschließend besteht die Möglichkeit, am Synagogendenkmal in der Julius-Bremer-Straße Kränze, Lichter und Blumen am Mahnmal für die zerstörte Synagoge niederzulegen. Unter Leitung von Rabbiner Waitsman endet dort das Gedenken mit Gebet.

Hintergrund:
Am 9. November 1938 hatten die Nationalsozialisten in Deutschland Synagogen, Wohn- und Kaufhäuser niedergebrannt sowie Menschen erniedrigt, verhaftet und ermordet. Der 9. November 1989 ist für den „Fall der Berliner Mauer“ bekannt: Nachdem SED-Politbüromitglied Schabowski auf einer im DDR-Fernsehen übertragenen Pressekonferenz die Gewährung von Reisefreiheit bekanntgegeben hatte, öffneten sich für die DDR-Bürger die innerdeutschen Grenzen.

Autor:

susanne sobko

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