Warten
… warten …

Ein Wächter links und einer rechts. Nach oben
zerrt man Johannes grob an Bart und Haar.
Der Henker hat das Beil zum Hieb erhoben –

gleich wird, was Salome gefordert, wahr:
„Des Täufers Haupt auf eine Silberplatte!
Als Lohn für meine Tänze wunderbar.“

Johannes, weil er sie gescholten hatte,
lag Jahre schon in finstrer Kerkerhaft.
Nun fordert Herodias - diese Ratte,

dass man ihn endgültig beiseite schafft.
Der scharfe Stahl soll ihm die Ader trennen -
rot renne rasch das Blut, der Lebenssaft.

Da hört man auf des Kellers Stufen Rennen;
zwei Boten stürzen in den finstern Raum.
Der Täufer kann als Jünger sie erkennen –

was dann geschieht, erscheint ihm wie ein Traum:
Die beiden fallen hin zu seinen Füßen
umklammernd seines Fellkleids harten Saum:

Der Meister Jesus lässet durch uns grüßen -

wir sollen dich in seinem Namen küssen.

Du ließest fragen: ‚Sollen wir noch warten,
ob da vielleicht ein Besserer noch komm?´
Doch er wies Früchte her aus Gottes Garten -

und machte damit unsern Glauben fromm:
Denn Lahme gehen, blinde Augen schauen
und toten Leibern Leben neu erglomm.

Die Seuche wich, der Dämon fuhr in Sauen -
und stürzte tief, die Kranken werden heil.
Es stutzte Christ dem Teufel seine Klauen -

und du, Johannes, hast daran ein Teil.“
Des Täufers Augen fangen an zu leuchten.
Metallen spiegelt sich‘s im scharfen Beil,

wie sie beim Schein der Fackeln sich befeuchten.
Der frohen Botschaft wegen, die erscholl
im finsteren Gewölb dem Aufgescheuchten -

dass ihm aus frohem Mund der Lobpreis quoll:
„Ich war gewürdigt, Gottes Sohn zu sehen?
Schlagt ab mein Haupt, es sagte, was es soll.“

Er merkt nicht mehr, als beide Jünger gehen,
doch den Getauften fühlt er bei sich stehen.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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