von der Wahrheit
Johannes 20

- hochgeladen von Matthias Schollmeyer
Jesus steht vor Pilatus. Er ist geschlagen worden, schweigt und redet in Rätseln. Er sagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Das heißt wohl: Ich bin nicht hier, um zu siegen. Nicht, um zu regieren. Sondern um zu erinnern, was gilt, wenn alles fraglich geworden ist. Und Jesus sagt weiter: „Ich bin gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen.“ Nicht um Recht zu behalten. Nicht um zu überzeugen. Sondern um zu stehen, wo Standhaftigkeit weh tut.
Da fragt der Richter: „Was ist Wahrheit?“ Und geht. Wird er Antwort bekommen? Denn Wahrheit ist kein Besitz. Man kann sie nicht kaufen und schon gar nicht twittern. Man kann sie tragen. Wie ein Joch. Schwer. Störend. Aber notwendig. Ein Joch trägt nichts für sich. Sondern bringt auf zwei entgegengesetzten Seiten das Ganze voran.
Die Kirche - wo und wann sie Kirche war und noch ist - trägt dieses Joch nicht mit Stolz, sondern mit Ausdauer. Nicht laut, sondern klar. Nicht gegen die Welt
und auch nicht mit Anbiederei. Nur so kann die Kirche bleiben. Nicht weil sie stark wäre, sondern weil sie sich von der Wahrheit erhalten lässt.
Das Evangelium vom kommenden Sonntag Judika (Johannes 18,36ff) ist keine Szene aus fernen Vergangenheiten. Sondern ist ein altes politisches Drama: Darf man die Wahrheit verschweigen - oder muss man sie sagen, wenn man sie kennt? In der gegenwärtigen Dauerempörung, der Cancel-Richter und wok-säkularen Ersatzpfaffen, steht uns der Text tröstend zur Seite. Wir kennen das alles schon längst: Ein Mann wird geschlagen, befragt, verspottet. So oder so. Die herrschende Macht sieht ihre Ohnmacht. Und will die Wahrheit zum Schweigen bringen.
Jesus zeigt die Richtung eines Auswegs. Erstens: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Wer mit dazugehören will, muss dieser Welt auch irgendwie abhanden kommen. Zweitens: „Ich bin gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen.“ Nicht um Mehrheiten zu gewinnen. Sondern um Zeugnis zu geben für die Wahrheit – das heißt: Stehenbleiben, wo andere sich ducken. Sprechen, wenn andere schweigen. Schweigen, wo andere mit Lügenreden verwirren. Diese Wahrheit sollte uns Maßstab bleiben. Nicht dehnbar. Nicht verhandelbar.
Pilatus fragt auch heute noch: „Was soll denn Wahrheit sein?“ Er fragt das zynisch und verzweifelt. Der Statthalter eines Weltreichs spürt, wie ihm alles entgleitet. Seine Frage hallt bis heute nach: Worauf soll ich vertrauen, wenn alles wankt? Wahrheit ist konkret wie ein Joch – schwer, spürbar, mit Konsequenz verbunden.
Träger der Wahrheit sind nicht gleich mal so die Sieger – sondern sie bleiben Lastenträger. Sie ziehen den Wagen weiter, während ringsum Geschrei tobt. Das war die Aufgabe der Kirche – und ist es immer noch: Nicht die Welt wäre zu retten. Aber ihr die Wahrheit zu zeigen - darauf käme es an. Nicht mitmachen beim Unsinn, sondern sich ihm entziehen. Wohin? In eine Art inneres Exil vielleicht. Solche geistige Selbstverpflichtung gibt Klarheit. Gelebte Klarheit des Nicht-Mitmachens hat eine enorme Außenwirkung ...


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