von dem Wort
am Sonntag

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VOM ERZÄHLTEN UND GEHÖRTEN WORT
Die christliche Theologie nennt Jesus das lebendige Wort Gottes. Eine sehr schöne Theorie steckt hinter dieser Formel, die wir zur Praxis machen dürfen. Immer wieder und von Sonntag zu Sonntag mehr. Diese alte Theorie sagt, dass Jesus mehr ist als ein einzelner vergänglicher stummer Mensch. Zugleich bedeutet sie, dass Gott nicht als etwas vorgestellt werden müsste, das nicht wirklich erfahrbar und hörbar wäre. Gott hat für sich entschieden: Ich lasse mich erzählen. Er will wahrscheinlich nicht bewiesener, sondern erzählter Gott sein … Jesus erzählt nun Gott und wird im Vorgang des Erzählens selber zum Erzählten. In Folge dessen wird seitdem jeder von Gott in der Gemeinde erzählende Mensch in gewisser Weise selber göttlich, was nicht so ganz einfach vorstellbar und noch weniger auszuhalten ist. Weder beim Zuhören-Müssen noch beim Erzählen-Wollen. Aber es ist genau das das Werk des Heiligen Geistes. Es kommt nun sehr darauf an, was wir erzählen. Vieles, was von Gott erzählt wurde, hat sich irgendwann dann als Unsinn herausgestellt. Dieser Unsinn fing schon früh in er Menschheitsgeschichte an. Sehr früh sogar. Deshalb wird im liturgischen Gebrauch heute auch nicht mehr alles vorgelesen. Und deshalb wahrscheinlich sagt auch das zweite Gebot: „Du sollst den Namen Deines Gottes nicht unnütz führen, …“ und so weiter.

Unter Zuhilfenahme seiner Beobachtungen aus der Natur, Erinnerungen an die Thora und mit Geschichten aus dem Leben der Menschen hat Jesus Gleichnisse und Geschichten von Gott verlautbaren lassen. Wo hat er die her? Er hat sie gefunden. Schöpfungen im Wort – vor dem schweigenden Hintergrund des Nichts entdeckt. Von den wirklichen Ereignishintergründe für unser Leben ist in diesen Geschichten und Gleichnissen viel abgebildet. Die Menschen hören Jesus zu und haben vermittels solchen Erlauschens Anteil an den genialen Schöpfungen durch das und in dem Wort. Denn beim Zuhören wird im Rauschen der hörbaren Laute immer etwas Bleibendes erkenn- und wiederholbar. Etwas, was bleibt, wenn der Erzählende geendet hat. Das nennen wir die Gnade des Verstehens. Denn erst das Verstehen führt uns zum Begreifen, das Begreifen zum Glauben wider angeblich besseres Wissen derer, die nicht zugehört haben. Das Ewige filtert sich für uns im Wort aus, es bleibt für uns nach dem Hören real zurück. Gott ist wieder einmal Wort gewesen, und bleibt es deshalb auch – bis zum nächsten Vergessen. Und bis zum neuen Hören. Ja, - wir sind als Hörende auch Wort – und wir werden erst in dem Innenraum der Sprache Jesu zu verständigen Christen-Menschen. Die Augenblicke des erkennenden Hörens hat man zutreffend Offenbarung genannt. Indem wir zuhören, geben wir der Offenbarung eine Chance. Durch Zuhören und Nachdenken wird die Welt im Spiegel des ewigen Wortes Jesu klarer ...

Die meisten Geschichten des erzählenden Jesus sind Gleichnisse. Auch Satire ist manchmal mit dabei – aber dabei bleibt immer die Sympathie spürbar, die den Erzähler Jesus beim Erzählen führt. Das Matthäusevangelium wartet zum Beispiel mit dem „Gleichnis vom viererlei Acker“ auf (Mt.13,1-9/18-23). Auch bei Markus ist der vierfältige Acker das allererste Gleichnis, was von Jesus verraten wird. An uns verraten wird. Und nur dieses erste Gleichnis wird dann durch Jesus auch selber erklärt. In dieser Erklärung bekommen wir Hinweise dafür, wie man selber Gleichnisse findet, erfindet und anwendet. Eine Art jesuanischer Heuristik (Findekunst) und Hermeneutik (Übersetzungskunst). Es wird nämlich im Evangelium (ziemlich versteckt, aber immerhin doch) berichtet, wie vor dem Finden der weltliche und göttliche Dinge verbindenden Analogien immer das Einkehren in eine bestimmte innere fromme Haltung steht: Der Lobpreis dem Ewigen gegenüber, über den erzählt werden soll. „Ich preise Dich …“ (Mt.11,25f). Das ist also der erste Schritt: Lobpreis. Der zweite Schritt besteht darin, dass Jesus aus dem Haus hinaus geht, und sich an das Meer setzt (Mt.13,1). Sein Blick geht nun vom begrenzten Standpunkt (am Ufer des Bekannten) hinaus in die Weite des Unbekannten. Zum Horizont schweift der Blick, wo die Höhe des Himmels und die Tiefe des Abgrunds sich mit der schimmernden Oberfläche des Sees kreuzigen. Dann erst schenken sich dem still gewordenen Jesus (als Betrachter der einen Schöpfung und Zuhörer Gottes) jene Gleichnisse, von denen wir Heutigen immer noch unsere geistige Lebendigkeit nehmen, wie Wasser aus einem tiefen kühlen Brunnen. Manchmal nicht ganz ohne Anstrengung. Finden, Erzählen und Neu-Hören. Sind Anwendungen des ewigen Wortes. Alle gleichberechtigt.

Man hat schon sehr früh versucht zu beschreiben, was das eigentlich sei – das Gleichnis. Ein erzähltes Gleichnis über eine Sache ist auf jeden Fall etwas anderes als eine Beschreibung oder der eindeutige Beweis, der die Sache dann erledigt hat. Das Gleichnis will die Verlockung sein, durch das Portal der Sprache und ihrer öffnenden Sinnkraft dem Geheimnis der Welt nahe zu treten. Wir Menschen brauchen zwar auch geschlossene Bereiche. Jedoch das Reden Jesu in Gleichnissen eröffnet den Raum für mehr - es geht darin nicht nur um die eine Hälfte der Schöpfung (die Erde), sondern auch um die andere des Himmelreiches. Und damit geht es um ein Ganzes. Jesu Gleichnisse sind Überflutungen göttlichen Lebens in die Welt mit flüssiger Sprache (Genesis 2,10), die die Erde bewässert. Deshalb scheint manches in der Sprache so unvollständig zu sein, weil es im Leben vollkommen ist, und in den Gleichnissen immer das ganze Leben gemeint ist, aber nie alles sofort zu verstehbarer Sprache werden kann. Verstehen braucht Zeit.

Das Hören auf diese wunderbare Welt der Gleichnisbilder ist genauso wichtig wie das Erzählen von ihr. Und das Lesen ist dann eine besonders konzentrierte Form des Hörens. „Wenn ihr diese hörbare Stimme also auch seht, wie könntet ihr eure Herzen nicht öffnen!“ (Hebr.3,15).

Autor:

Matthias Schollmeyer

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