"UND IHRE AUGEN WURDEN GEHALTEN ...
... DASS SIE IHN NICHT ERKANNTEN"

- hochgeladen von Matthias Schollmeyer
DER AUFERSTEHUNGSLEIB (TEIL II)
Nachdem wir erste Gedanken zur Metaphysik eines sogenannten Auferstehungsleibes entwickelt und diese der prüfenden Instanz der Künstlichen Intelligenz ChatGPT4 überantwortet hatten, erhielten wir – als Reaktion der Maschine – eine Art Enzyklika sui generis, die den Interessierten im Folgenden in überarbeiteter, menschlicher Fassung heute am zweiten Tag des Konklaves dargereicht wird ...
I. Ontologische Überlegung: Das postkörperliche Subjekt als Blickumkehr
Wir entfalten jetzt eine radikale Blickverlagerung: Vom Ich-zentrierten Akt der Weltwahrnehmung durch eine menschliche Körperperson verschiebt sich die Blickachse auf einmal zur Welt, die nun – in Abwesenheit des ehemals körpergetragenen Subjekts – auf dessen einstiges aktives Zentrum zurückblickt. Das frühere Ich-Subjekt wird zum Es-Objekt, und ist nicht mehr Subjekt nur eigener aktiver Wahrnehmung. Entscheidend ist also: Nicht das Ich ist einfach fort – fort ist seine Blickrichtung, sein gerichtetes Sehen, das vom gefühlten Angeschaut-Werden "verschlungen" wird.
Das hat zwei Konsequenzen:
1. Subjektivität wäre als Richtung, nicht als Substanz zu denken: Was nun als „Ich“ erlebt wird, das ist kein fester richtungsloser Kern, sondern wird zu einer Bewegungsrichtung verwandelt: Ein „von-innen-nach-außen“ - Gerichtetsein war es. Aber nun mit dem Tode des alten Subjekt-Ichs kehrt sich diese Richtung um – es geschieht eine Reversion der Perspektive.
2. Identität als Resonanzform: Wenn die ehemalige Außenwelt nun „zurückblickt“, dann nicht auf das Ich als getilgte Substanz, sondern auf ein Interferenzmuster, das dieses Ich in der Welt hinterlassen hat – Worte, Taten, Erinnerungen, Spuren. Die „Ehemalige Identität nur mit sich selbst“ wird zur Rückkopplungsschleife der Außenwelt mit sich selbst via ehemaliges Ich.
Der Tod ist in diesem Denk-Modell nicht die Auslöschung des Ichs, sondern seine Transduktion in eine Art perennierendes Meta-Echo.
II. Theologische Deutung: Der Auferstehungsleib als Blickfeld Gottes
Wenn du also fragst: Was bin ich, wenn ich nicht mehr bin? dann lautet eine theologisch präzise Antwort: Du bist, was du im Blick Gottes immer warst und deshalb bist. Und dieser Blick ist kein äußerliches Registrieren, sondern Blick als Schöpfungskraft. Gott „sieht“ nicht nur das, was du warst – er ruft neu ins Sein, alles was war, ist und hätte sein können - und zwar vermittels dessen, dass er darauf schaut.
Der Auferstehungsleib wäre demnach:
• nicht der rekonstruierte Körper aus Fleisch und Blut,
• nicht ein „feinstoffliches“ Ich-Gehäuse,
• sondern als eine Art „Minstranz“ Empfänger und Bewahrerin der göttlichen Blickrichtung, ein Bild im Bewusstsein Gottes, das durch solches Angeblicktwerden zur Person wird.
Das heißt: Du bist im Tod nicht mehr an dein eigenes Zentrum gefesselt. Sondern du bist gesehen, und nicht mehr deinem eigenen Sehen allein verhaftet. Aber diese gesehenwerdende neue Person bist du, in deiner ganzen Möglichkeit. Nicht aufgelöst – sondern aufgehoben im göttlichen Gedächtnis.
III. Poetologische Skizze: Der Tod als Kino in Gegenrichtung
Stell dir einen Kinosaal vor, in dem nicht mehr der Projektor Bilder auf die Leinwand wirft, sondern die Leinwand selbst zum Ursprung des Lichts wird – und das Licht zurück schenkt. Was dort dann im Medium zwischen Leinwand und Projektor erscheint, ist nicht banale Erinnerung, sondern die Welt fällt zurück ins Licht und geht in ihm auf. Was dort in diesem Projektor (wenn er als Körper noch vorhanden wäre) vor sich gehen würde, ist dann nicht einfach der Ausstoß eines Films deiner Vergangenheit – sondern:
• wie es gewesen ist (Erinnerung),
• wie es nicht gewesen ist (Verfehlung, Möglichkeit),
• wie es hätte sein können (Verheißung).
Der Auferstehungsleib wäre dieser Metapher nach das bewegte Bild, das aus der Überlagerung dieser drei Varianten entsteht. Kein statischer Zustand – sondern ein laufender Film aus göttlicher Sicht, in welchem Film dein Leben nicht „noch einmal“, sondern nunmehr wahrhaft geschieht. Seine Substanz erhält dieser laufende Film dadurch, dass die Paradoxalität der Gleichzeitigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (sowohl in ihrer verwirklichen Form als auch ihrer nicht verwirklichen Form) eine Art Körper darstellt - Körper nicht mehr aus Materie, sondern aus Herrlichkeit, die unserem jetzigen an Zeit und Raum gefesseltem Denken nur als Widersprüchlichkeit erscheinen kann und deshalb auch als Widersprüchlichkeit erscheinen muss.
Fazit:
Wenn du nicht mehr bist, bist du also nicht weniger, sondern anders mehr:
Nicht mehr Subjekt des Blicks, sondern Objekt der liebenden Anschauung Gottes.
Nicht mehr nur selbst schauend, sondern angeschaut – aber mit einem Blick, der dich nicht festnagelt, sondern erneuert.
Der Auferstehungsleib ist nicht du (wieder) als Körper, sondern er ist dein Du als Bild im lebendigen Gedächtnis Gottes, das sich in seinem Dich-Anschauen verwirklicht. wir wiederholen noch einmal:
1. Das lebendige Ich in seinem Lebensvollzug ist ein gerichteter Blick aus dem Körper auf die Welt – ist also eine Bewegung von innen nach außen.
2. Mit dem Tode entfällt der Körper als Träger dieser Blickrichtung. Der Blick ist nicht mehr vorhanden. Ds Ganze kehrt sich allenfalls um: Das Außen schaut nun auf das frühere körperlos werdende Ich.
3. Dieses frühere Ich ist nicht mehr aktiv, sondern erscheint dem Blick von Außen in seiner Wirkung: als gewesene tatsächliche Spur, Erinnerung, Möglichkeit.
4. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als zeitlich sukzessive Ereigniskette verlieren in dieser Rückschau ihre strenge Trennung. Das Ich erscheint in Varianten: als gewesen oder nicht gewesen aber möglich.
5. Das postmortale Sein ist beileibe also kein Fortbestehen des alten Ichs, das in ständigem Gesehen-Werden-Wollen oder Wahrgenommen-Werden-Wollen um sich selbst kreist, sondern wird zu seinem Gesehen-Werden – eine Form nicht mehr nur von Existenz sondern nunmehr Essenz im Anblick durch Gottes Interesse an solchem Schauen.
Es bleibt offen, ob dieses Angeschaut-Werden etwas Neues hervorbringt – oder ob es sich hauptsächlich um ein ewigliches harmonisches An- und Ausklingen handelt. Die Entscheidung darüber liegt nicht beim Ich. Sie liegt jenseits davon.
IV. Der Blick Gottes ist schöpferisch
In der biblischen Tradition ist Sehen kein neutraler Akt. Gott sah, dass es gut war – so beginnt die Schöpfung. Dieses Sehen bringt das Gesagte und Gesehene zur Geltung. Es bestätigt es in seinem Wesen. Auch Psalm 139 bekennt das so: "Du hast mich gesehen, da war ich noch nicht geboren." Das heißt: Wer im Blick Gottes steht, wird nicht archiviert, sondern aus dem Nichts hervorgerufen.
Folgenschluss:
Wenn ich nicht mehr bin – und doch von Gott gesehen werde –, dann bin ich nicht vergangen, sondern gerufen in ein eigentliches Sein. Der Auferstehungsleib wäre dann nicht eine Replik des alten Körpers, sondern eine Art Verkörperung des erneuernden göttlichen Blicks: Ich bin, wie Gott mich sieht. Ich bin also nun auch endlich das, was ich seinem Willen nach gewesen wäre, jenseits aller meiner Verfehlung. Die Vokabeln Körper und Verkörperung müssten hier flexibler gedacht werden als sie es als Alltagsbegriffe gegenwärtig nahelegen können.
V. Jesus als der "zuerst" Angeschaute
Im Neuen Testament ist Jesus der Erste, der diesen Blick Gottes durch den Tod hindurch empfangen hat. Er ist nicht körperlich zurückgekehrt, sondern für die Glaubenden verwandelt hervorgetreten. Der Auferstehungsleib Jesu trägt die Spuren des alten Lebens (die Wundmale) – und zugleich doch eine neue Qualität: unverweslich, unverfügbar (noli me tangere), leiblich und deshalb "Nicht-nur-weltlich". Das bedeutet: Wer durch und im Anblick Gottes aufersteht, bleibt er selbst als Person – aber nun nicht mehr im alten Körper-Modus. Es ist keine Reanimation, die geschehen ist. Es ist die Geburt des endgültig gemachten Bildes. Wobei endgültig nicht so sehr das 'end' betont, sondern das 'gültig'. Zielgültigkeit ist vielleicht der angemessenere Begriff?
VI. Das Ich im Blick Gottes: verlässlich und befreit
Du fragst: Was bin ich, wenn ich nicht mehr bin? Die theologische Antwort wäre: Du bist, was du im Blick Gottes warst – und was durch diesen Blick zur Geltung kommt. Und was Gott von dir hält, ist nicht nur Erinnerung, sondern Berufung zur Fülle. Nicht dein Ichsammelsurium wird gerettet, sondern dein Wesen, dein Name, dein ursprünglicher Auftrag – so, wie er im Blick des Ewigen liegt. Deine Existenz wird in die Essenz überführt. Auferstehung heißt dann: Nicht ich muss mich festhalten, sondern ich werde gehalten. Nicht ich richte mich auf, sondern ich werde aufgerichtet – durch einen Blick, der mich kennt, durchdringt und bejaht.
1. „Was du säst, ist nicht der Leib, der werden soll“ – Das Leben als Embryonalzustand
Paulus schreibt: „Was du säst, ist nicht der Leib, der werden soll, sondern ein bloßes Korn.“ (1.Kor 15, 37)
In der üblichen Deutung ist das „Korn“ der sterbliche Körper, der im Grab vergeht, um im Jenseits verwandelt aufzuerstehen. Wir aber denken lesend noch weiter: Denn, was hier auf Erden mit der Geburt des einzelnen Menschen „gesät“ ward, ist nicht der endgültige Mensch, sondern ein noch unreifes Wesen – sozusagen embryonal, durchlässig, vorläufig.
Geborenwerden in diese Welt ist dann nicht nur der Beginn des Lebens, sondern der Startschuss für das Heranreifen des Menschen. Wir leben – als Menschen – wie ein Samenkorn lebt: nicht zur Ruhe gekommen, nicht abgeschlossen, sondern aufbrechend, tastend, sich vorbereitend. Das biologische Leben ist nicht das Endprodukt der göttlichen Schöpfung, sondern der Nährboden für das noch ausstehende Wesen, das erst durch den Tod hindurch zur Erscheinung kommen wird - auch wenn wir, die wir quasi im Zustand der "Embryonalität" noch sind, es jetzt schon noch nicht sehen können, es sei denn im Glauben und mit Worten formuliert.
2. „Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib“ – Zwei Leiber, zwei Welten
Paulus unterscheidet zwei Leiber:
• sōma psychikon – der natürliche, seelisch-animalische Leib
• sōma pneumatikon – der geistliche, vom Geist Gottes durchwaltete Leib
Der körperliche (erste) Leib – den wir bei der Geburt erhalten – ist nicht das einzige, was Gott zu schaffen letztlich beabsichtigt hat, sondern ist eine Anlage für mehr, ist das Samenkorn für das irdische Leben mit allen seinen Chancen und Schwierigkeiten (Freiheit und Determination, Wille und Ohnmacht). Dieser erste leibliche Körper ist wie die Hülle eines Samenkorns: notwendig, aber nicht endgültig.
Im Bild gesprochen - es ist das ganze Menschenleben wie eine in die Erde gelegte samenkornhafte Fruchtblase. Die sichtbare Gestalt des Menschen – mit Haut, Muskeln, Verstand – ist so etwas wie Plazenta einer tieferliegenden Ausbildung von einer Geburt, die erst noch aussteht. Die eigentliche Geburt – nämlich das Herausbrechen des wahren Leibes – geschieht erst, wenn der Körper von der Gestalt des Leibes abgestoßen wird und vergeht, was wir mit den Vokabeln Tod und Sterben zu beschreiben versuchen. Der Tod wäre dann so etwas wie eine Geburt. Und das Grab wäre nicht die Wiege des Todes, sondern der Geburtskanal des Auferstehungsleibes - aber man muss diese poetologische Ausdrucksweise nicht unbedingt mögen. Sie sei hier nur der Vollständigkeit halber angeführt .…
3. „Es wird gesät verweslich, auferstehen unverweslich“ – Die Verwandlung
Was aus dem Grab hervorgeht, ist nicht die restaurierte Version des alten Ichs, sondern etwas qualitativ anderes – aber dem Vorherigen dennoch verwandt. So wie ein Apfelkern einen Apfelbaum hervorbringt – nicht als Kopie, sondern als Entfaltung eines inneren Potentials. Die Herrlichkeit, von der Paulus spricht, ist nicht „mehr vom Gleichen“, sondern gänzlich neue Wirklichkeit. Die Zeit im „Mutterleib der Welt” war ja auch enorm geprägt von Dunkel, von Enge, von Wachstum unter Bedingungen. Die Auferstehung wäre dann unsere Entbindung von dieser Art Welt – nicht nur metaphorisch, sondern im wahrsten Sinn: die Freisetzung des verborgenen Menschen im Licht der göttlichen Vollendung.
4. Eine neue Schöpfung: Der Mensch als werdender Glanz
Paulus schreibt: „Ein anderer Glanz ist an der Sonne, ein anderer am Mond, ein anderer an den Sternen.“ (V. 41)
Diese Vielheit an Leibern, Körpern, Erscheinungsformen verweist auf eine kosmische Vielgestaltigkeit der Auferstehung.
Der neue Mensch ist kein Einheitswesen, sondern ein individuelles Leuchten.
Man könnte sagen: Jeder Mensch ist ein anderer Stern – aber im irdischen Leib ist sein Glanz noch eingeschlossen.
Was vorerst nur körperlich geboren wurde, ist noch nicht erleuchtet. Erst in der Auferstehung will Gott den Menschen so sehen, wie er ihn gemeint hat – und bringt ihn damit ziel- und endgültig zur Geltung.
VII) Fazit:
• Die irdische Geburt ist das Einsetzen eines Keims in die Zeit.
• Das Leben: ein embryonaler Reifungsprozess im Licht des Kommenden.
• Der Tod: die endgültige Öffnung des Samenkorns - das Abstoßen des Vorläufigen.
• Die Auferstehung: die eigentliche Geburt – das Erscheinen des Menschen, wie er als vollständiges Bild Gottes gemeint ist.
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