der Floh
Geburtstagsgabe (26)

Der Brief des Flohs zum Geburtstagsfest ist das Allerbeste. Denn dürft Ihr hier lesen!

Niemals hat es gut gerochen unter Martin Luthers Hemd. Aber ich habe da trotzdem meine Arbeit gemacht. Man muss etwas abkönnen. Wir Flöhe sind von uraltem Geschlecht. Und halten viel aus, sind schnell, auf der Hut und gefürchtet. Manche Menschen können uns dressieren. Dann sind wir nicht abgeneigt, Kunststückchen zu vollbringen. Das sind die Flohzirkusse, die hochberühmten aus alter Zeit.

Heute gibt es keine Flohzirkusse mehr, die Tierschützer haben das vermasselt. Ich selbst bin ein einzeln lebender Floh - sehr alt, denn Martin Luther gehörte zu meinen Kunden.
Was ich an diesem Mann besonders geschätzt habe, war der Geschmack seines Blutes im Abgang - nach Ambrosia. Blut ist ein ganz besonderer Saft. Urin auch, aber das ist heute nicht Thema. Dr. Fausts Blut (wie das klingt!) war nicht so gut. Es hatte diesen faden Beigeschmack von Tinte und altbackener Gelehrsamkeit. Luthers Blut dagegen war sehr frisch und schmackhaft. Es war irgendwie Honig dabei, Knoblauch, Minze und eben - Ambrosia. Das ist sehr selten.

Ihr wisst, Ambrosia gibt es auf der Erde gar nicht. Ambrosia ist der Geschmack aus dem Himmel. Götter und Engel besaufen sich täglich damit, um aushalten zu können, dass sie auf Erden nicht eingreifen dürfen und alles nur sehr schwer vorankommt. Woher der Luther Ambrosia hatte? Ich weiß es nicht. Ist auch egal, - ich habe es eingesogen und damit genug! Glücklicher, der ich war und noch bin. Denn deshalb überhaupt lebe ich ja heute noch. Weil, wer Ambrosia säuft, wird unsterblich. Warum der Luther trotzdem gestorben ist, kann ich mir nicht erklären. Wahrscheinlich wegen der Scheißangst, die er immerzu gehabt hat. Ja, - die Angst ist der Motor seiner Schreibereien gewesen. Das ist bekannt. Er wollte sich die Angst mit Tinte vom Leib halten. Deshalb hat er die Lehre von der „Rechtfertigung allein aus Gnade” weiterentwickelt, und hat die Leistung der guten Werke als nicht ausreichend verdammt. Es hat ihm nix genutzt. Gestorben ist er trotzdem. Ich nicht.

Das mit der lutherischen Angst ist oft beargwöhnt worden. Sie ist die dunkle Seite des fröhlich-feisten Mannes. Jeder hat seine dunkle Seite. Ihr auch! Tut nicht so … Deshalb hat er auch so gestunken, der Luther. Weil er immer vor Angst geschwitzt hat. Aber macht Ihr das erst mal, eine uralte Kirche reformieren. Da werdet Ihr schon sehen, wie Ihr dabei ins Schwitzen geratet.
Ich bin dem Mann trotzdem regelmäßig unter sein angstschweißiges Hemd gekrochen. Wenn man erst mal stach und das Ambrosia hervor gequollen kam, - hat es sich doch gelohnt. Genau!

Floh - der Floh
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die anderen Tierbriefe hier

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
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