der Feuersalamander
Geburtstagsgabe (17)

Gerade noch hatte die Gottesanbeterin geschrieben und vorgelesen - schon ist der Nächste an der Reihe. Der Salamander ...

Erst vor Kurzem von meinem Mittagsschlafe erwacht, werde auch ich ein paar Gedanken über die Kirche Martin Luthers und ihn selbst zum Besten geben. Verratet es aber nicht jedem. Alles, was wir Salamander offenbaren, möchte eigentlich streng geheim gehalten werden. Und ist nicht für alle Ohren bestimmt. Denn wir Salamander sind geheimnisvolle Wesen. Nun - ich bin noch etwas träge, denn ich verdaute im Schlaf eben die dürre Gottesanbeterin, die sich beim Verfassen ihres Briefleins an Luther unvorsichtigerweise in meinen Bannbereich begeben hatte. Fressen und gefressen werden - das ist eines der wichtigsten Gesetze aus dem Bereiche der Natur. Gottesanbeterinnnen sind nicht sonderlich nahrhaft, auch der Geschmack lässt zu wünschen übrig. Lieber verzehre ich Asseln und kleine Schnecken. Da ist mehr dran. Aber nun zur Sache.

Luthers Söhnchen Hans besaß ein Terrarium. Darinnen hielt er einen Feuersalamander gefangen. Wir Salamander können etwa sechzig Jahre alt werden, wenn  wir acht geben … Meistens kamen wir zur Zeit Luthers jedoch viel eher zu Tode, denn man sammelte uns ein und hielt uns in Terrarien für den Fall aller Fälle bereit. Wenn nämlich in den mittelalterlichen Städten Feuersbrünste ausbrachen - und das war keine Seltenheit - warf man uns in die lodernde Flamme. Man hatte nämlich erkennen zu können geglaubt, dass wir Salamander im Feuer zu überleben vermögen - indem wir die Feuer vermittels magischer Kräfte zu löschen fähig sind. Bekannterweise sondern wir auf unserer Haut bei drohender Gefahr spezielle Sekrete ab, die auf der menschlichen Haut feuriges Brennen hervorrufen. Da dachte man nun, was brennt - das ist auch gut gegen anderes Brennen und den Brand allgemein. Der als Paracelsus bekannte Wunderarzt Theophrast von Hohenheim lobt diese und ähnliche Eigenarten von uns Salamandern in seinen Lehrbüchern ausführlich, auch Hildegard von Bingen wusste darüber Bescheid. Zurück zu Luthers Sohn Hans und seinem Vater Martin.

Im schwarzen Kloster zu Wittenberg lebte ich also in einem Bassin und konnte von dort heraus nicht entfliehen. Deshalb sah ich - und hörte noch mehr - von all dem, was in der Wohnung des Reformators vor sich ging. Besonders die Reden bei Tische während der Zeit, in der die Familie mit zahlreichen Gästen ihre Nahrung gemeinschaftlich zu verzehren pflegte, waren für mich sehr interessant. Damals erfuhr ich viel über die Denkungsart des Herrn Luther und seiner Freunde. Zusammenfassend kann ich sagen, dass sie von der Natur und ihren Geheimnissen leider nicht viel verstanden haben und von einer anhaltenden Furcht den Elementargeistern gegenüber geplagt blieben, als da außer uns Salamandern noch sind die Sylphen, Undinen und Gnome.

Eines schönen Tages nun hatten die zu Wittenberg nun auch einen besonderen Studenten aus der Gegend des Balkangebirges bei sich zu Gast und der stand lange Zeit sinnend vor meinem Gefängnis. Wir schauten einander in die Augen und er stellte sich mit dem Namen Leonhart Fuchs bei mir vor. Wir verstanden uns auf Anhieb. Leonhard, der Botaniker und Mediziner war und später Anhänger Luthers und seiner feinen Lehre, bat nun den Gastgeber darum, mich aus dem Gefängnis zu entlassen. Aber Luther protestierte und schlug ihm den Wunsch sofort unwirsch ab. So war eben seine Art. Gefragt nach dem Grund der Weigerung gab der Reformator sinngemäß zur Antwort, man dürfe nicht so töricht sein, einen guten Feuerlöscher dran zu geben. Und man behalte ihn lieber bei sich für den dies irae dei. Leonhard Fuchs schwieg zu solchem Unsinn und setzte sich in die Gruppe derer, die an diesem Abend bei Luthers freie Kost genießen durften und langte kräftig zu. 

Nachts aber - wir hatten ascendierende Luna in signo sagittarii schlich er sich an mein Terrarium und wir hielten wieder stumme Zwiesprache. Er nahm mich aus dem Bottich und brachte mich hinunter zum Elbestrom, woselbst er mich in das feuchte Gras setzte und ich ihm vorher versprechen musste, die Stadt Vitemberg die nächsten Jahre von Feuersnot frei zu halten, welches Versprechen ich auch gab und Kraft der Fähigkeiten, die mein Schöpfer uns Salamandern in seiner unbegreiflichen Gnade verliehen hat, hielt. Vermittels meiner alten Körperhaut, die ich ein paar Tage vorher bei den Luthers im Terrarium gelassen hatte (wir Salamander müssen uns von Zeit zu Zeit häuten), nahm ich Kontakt zur Aura des Schwarzen Klosters auf und musste bemerken, wie Luther sein Söhnchen Hans schwer züchtigte, denn der Mann dachte, dass der Knabe das Tierchen frei gelassen hätte. Da tat der Knabe mir sehr leid, noch mehr aber triumphierte ich über mich angesichts meiner wiedergewonnenen Freiheit und lobte Gott den Herrn für den Besuch des Herrn Fuchs, der später ein großes Buch über die Pflanzen herausbrachte und ein Rezept ersann, in dem der Schleim unserer Ohrdrüsen eine nicht geringe Rolle spielt und das wichtigste Ingrediens darstellt .

Nun habe ich aber genug berichtet und Euch einige Dinge von damals erzählt. Wir Salamander sind seit dieser Sache mit Luther sehr vorsichtig geworden und erschienen den protestantischen Kirchenmenschen nur noch eher selten, denn diese spezielle Art von Christen vermeinen in uns Naturgeistern Ausgeburten der Hölle zu sehen. Da müssen wir uns eben nun leider vorsehen. Und wir tauchen deshalb hier und da sehr selten und vorsichtig in den Gärten naturphilosophisch begeisterter Junggesellen und/oder esoterisch orientierter Hausfrauen auf. Auch nur an besonderen Orten und zu speziellen Zeiten …

Salamander

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Autor:

Matthias Schollmeyer

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