Trinitatis 2023
DAS UNDENKBARE DENKEN

Ich fragte meinen Engel, ob er hätte
in seinen tausend Jahren je erspäht,
das Ziel des Seins nach endlos langer Kette -

im Allerheiligsten der Trinität.
Er wiegt das Haupt mit heiligem Bedenken
vor Gottes unendlicher Majestät.

Und riet mir nicht, auf diesen Weg zu lenken
den Schritt. Da drang ich ihn: „Zeig mir den Pfad,
auf dem sich mir Erkenntnis könnte schenken -

von Gott und seiner Wahrheit Wundertat!“
Er aber warnte mich mit einer Frage:
„Willst werden du des Todes Kandidat?

Wie kann ein Schatten denn des Lichtes Gabe
erschau’n und Schatten bleiben für und für?
Der Glanz zwingt alle Schemen hin zum Grabe,

nachdem sie querten ihres Lichtes Tür.“
Ich aber blieb bei meiner Herzensbitte:
„Geleite mich zu Gottes Hauptquartier!“

Damit ich ihm nicht weiter heftig stritte,
gebot er mir zu folgen seinem Schritte.

Wir stiegen lange aus den blauen Weiten,
durchquerten Sphären von kristallner Zahl.
Die wanden sich, uns Wandrer zu geleiten,

bergan bis hin zu einem Kugelsaal.
Aus dessen Mitte drang ein Glanz durch Spalten,
drei an der Zahl - und allen auf einmal

entströmte Licht, das sich in weichen Falten
ringsum nach außen stahl und an dem Rand
des Raums, wie im Gemälde festgehalten,

ein Platz auch war, wo ich mich selbst befand.
Und ich gewahrte nun - nicht ohne Schrecken -
wie Lichtspiel ich nur war auf dieser Wand;

ich sah - wie sie begann, mich aufzuwecken - 
die Wahrheit Gottes! Jeder Vorsicht bar
wollt gleich die Hand ich in die Kugel stecken,

um einzudringen dort für immerdar.
Ich riss an meinem Schatten auf der Mauer,
indes - mit jedem Rupfe ward mir klar,

ich würde nicht mehr haben Ort noch Dauer -
da ließ ich's sein mit Schmerz und tiefer Trauer.

Schon öfter hatte ich davon gelesen:
„Wer Gott erkennt, zahlt einen hohen Preis.
Gott sehen heißt zugleich, man ist gewesen -

weil sich der Anfang fängst in einem Kreis.
Beginnen wandelt sich zum eignen Ende -
durch diesen Tunnel lenkte Gott sein Gleis.“

Dass meine Trauer sich in Staunen wende,
reicht mir der Engel Farben. Blau und Gold -
dazu noch feiner Pinsel Gnadenspende

und reine Leinwand, die er flugs entrollt.
Ich öffne seinen bunten Farbenkasten -
da hat er mir Aufmerksamkeit gezollt:

„Gebet mit Ehrfurcht und das fromme Fasten
erlaubten oft schon Heiligen ein Bild!
Ein Suchen bleibt die Kunst. Fang an zu tasten

nach dem, was dir als gut und wichtig gilt.
Zwar kann man über Gott hinaus nichts nennen -
und keinem wird die Frage je gestillt,

doch wird man deine Meisterschaft erkennen,
lässt du in Farben Gottes Lichter brennen."

Wie ich begann? Mit zweiunddreißig Strahlen,
die Gott erwählte ganz am Urbeginn.
Buchstaben zweiundzwanzig und zehn Zahlen -

durch sie erschuf er Mitte, Ziel, Beginn.
Der Zählende zählt Ziffern her beim Zählen,
dass im Erzählen wohne Maß und Sinn.

Durch ihrer feinen Zeichen Kraft vermählen
die Ding’ sich unterm hohen Himmelszelt.
Auf zweiunddreißig Wegen wollt erwählen

der Schöpfer Wunder für die weite Welt.
So fast ein Kreis von Glyphen fest zusammen -
was des Triangel Kraft hält und erhellt.

Ein Auge malt ich in des Dreiecks Flammen:
Du siehst es, denn zugleich sieht es auch dich.
Ob einmal Tränen in dem Aug auch schwammen,

dass auch die Gottheit fand nicht mehr zu sich?
Verzweifele nicht! Es tröste dich der Glaube:
Der Mut des Heilgen Geistes - Gottes Ich.

Der Vater und der Sohn und ihre Taube.
Die drei sind Eins - als Weinstock, Rebe, Traube!

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
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