Michael Servet
und das Dogma der Heiligen Dreifaltigkeit

„Wie der gelehrte Michael Servet von einem allzu gläubigen Feuer verzehrt ward und die Welt seither schamrot schweigt“

In den Tagen, als das Denken noch ein gefährliches Gewerbe war, lebte in der kaiserlichen Sonne Spaniens ein Mann von erstaunlichem Verstand und ungebührlichem Mut, mit Namen Michael Servet, der nicht einmal davor zurückschreckte, mit Gott selbst über das Wesen Gottes zu disputieren – und das ist bekanntlich der beste Weg, seine Tage in Ehre zu beenden, nämlich auf einem Scheiterhaufen.

Dieser Servet nun war weder töricht noch wahnsinnig (obwohl man beides von ihm behauptete), sondern Arzt, Gelehrter, Theologe, Sternendeuter, Laienrichter über heilige Texte, und – was ihm das Genick brach – ein Feind der heiligen Dreiheit. Nicht dass er Gott leugnete – o nein! –, sondern dass er wagte zu sagen, die drei seien keine drei, sondern bestenfalls einer, und wenn schon drei, dann in keiner Weise gleich oder ewig oder notwendig.

„Der Sohn“, so sprach er bei mehreren Gelegenheiten, „sei nicht Gott, sondern vom Vater hervorgebracht, als der Himmel den Messias schickte, und der Heilige Geist sei keine Person, sondern eine Kraft. Wie ein Wind.“ Das nun, liebe Leser, ist keine Art, in der man im 16. Jahrhundert mit dem Himmel spricht. Und so rieben sich die  Inquisitoren die Hände. Doch Servet floh. Erst nach Frankreich, dann nach Vienne, dann – o Torheit der Torheiten! – nach Genf, wo zu jener Zeit ein anderer Mann saß, der nicht weniger leidenschaftlich war, wenn es um das Wesen Gottes ging, nämlich Johannes Calvin, der bekanntlich mit der Gnade umging wie ein Krämer mit Münzen: nur für die Erwählten, nie für die anderen.

Und siehe: Servet hatte es zuvor gewagt, Calvin Briefe zu schreiben. Lange Briefe. Kritische Briefe. Briefe, in denen er den Reformator belehrte. Was geschah dann? Der Spanier betrat Genf. Ein Freund warnte ihn zwar: „Hier ist nicht Platz für zwei Theologen mit Feuerschriften.“ Aber Servet winkte ab. Wenige Tage später wurde er verhaftet. Die Anklage: Antitrinitarismus, Ketzerei, Hochmut, Schwurbeldenken, und, wie man hinzufügte, medizinische Anmaßung.

Calvin ließ sich Zeit. Er prüfte. Er argumentierte. Er verwarf. Der Rat verhandelte. Die Kirche drängte. Der Bürger nickte. Das Feuer wartete ...

Am Tag der Hinrichtung regnete es. Servet bat um Gnade. Er bat um das Schwert. Sie aber schichteten ihm nasses Holz auf. Und so geschah es, dass der gelehrte Mann, dessen größte Schuld darin bestand, das Wesen Gottes nicht exakt in drei Personen zu denken, auf dem Champel-Feld in Flammen stand, die mehr nach Rauch als nach Licht rochen. Er schrie, man sagt, fast eine halbe Stunde. Er rief:

„Jesus, Sohn des ewigen Gottes, erbarme dich!“
Und Calvin, der ferne stand, murmelte:
„Da bekennt er’s ja doch.“

Und siehe, was ist geblieben? Ein Denkmal. Ein Name in den Büchern. Das ewige Raunen, dass einer, der zu viel dachte, verbrannt wurde von denen, die das Denken heilig hielten – sofern es ihr Denken war. Und - dieser kleine Artikel in einer kleinen Kirchen-Zeitung.

Es wird erzählt, dass ein alter Bettler, der der Hinrichtung beiwohnte, am Abend desselben Tages beim Ratsdiener fragte: „War’s ein Mörder?“ Der antwortete: „Nein – ein Theologe.“ Da sprach der Bettler: „Ach, dann war’s wohl schlimmer.“

Moralisatio: Wenn du Gott erklären willst, erkläre ihn im Flüsterton. Oder sprich von ihm im Zirkuszelt, damit man dein Lächeln für Narrheit hält und nicht für Häresie. Denn wer im Ernst sagt, dass Drei nicht Eins sei, und dabei nicht tanzt, der steht bald – wo das Holz dampft. Und das ist das Ende der Geschichte. Oder doch nur ihr Anfang. Denn es wird heute zwar nicht mehr über die Vielfalt des Göttlichen so sehr gestritten, mehr aber über die Einfalt des Politischen geschwiegen ...

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer

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