»Eine unsägliche Entwicklung«

Ungewöhnlich deutlich meldet sich der Magdeburger Bischof Gerhard Feige zu Wort. | Foto: epd-bild
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Zerschlagen hat sich die Hoffnung, dass sogenannte konfessionsverbindende Ehepaare künftig in der katho­lischen Kirche gemeinsam das Abendmahl empfangen können. Eine Weisung aus Rom machte alles von der Mehrheit der deutschen Bischöfe dazu Vorbereitete wieder zunichte.
Von Bischof Gerhard Feige

Völlig unverständlich ist mir, wie es am 3. Mai 2018 aus Rom noch heißen konnte, die deutschen Bischöfe sollen in der Kommunionfrage für evangelische Christen aus konfessionsverbindenden Ehen »eine möglichst einmütige Regelung« finden, und dieser Auftrag jetzt – einen Monat später – offensichtlich durch Papst Franziskus selbst wieder rückgängig gemacht wurde.
Die Enttäuschung ist bei vielen groß, der Schaden noch nicht abzusehen. Wunden sind neu aufgebrochen. Verbitterung und Resignation machen sich breit. Während die einen bis gestern darüber nachdachten, wie man zu einer größeren Einmütigkeit kommen könne, haben andere stattdessen immer wieder die Öffentlichkeit genutzt und Behauptungen aufgestellt, die den Inhalt und Charakter der erarbeiteten Orientierungshilfe in einem falschen Licht erscheinen lassen.
Sich selbst ein sachgerechtes Bild zu machen, blieb den meisten Interessenten jedoch verwehrt, da der Text bis zum heutigen Tag nicht erscheinen durfte. Bestimmten Journalisten scheint er aber doch interessengeleitet zugespielt worden zu sein.
Vielleicht war die pastorale Handreichung, der mehr als drei Viertel der deutschen Bischöfe zugestimmt haben, der letzte Versuch, in dieser Frage überhaupt noch eine gewisse Ordnung zu erzielen. Möglicherweise hat der massive Widerstand dagegen erst so richtig offenbar werden lassen, dass eigentlich viele der Betroffenen schon längst das ganz selbstverständlich praktizieren, was der Würzburger Synode bereits vor 42 Jahren in einer Bitte an die Bischöfe um Klärung vor Augen stand und nunmehr hätte empfohlen werden sollen: im Einzelfall unter besonderen Umständen nach geistlicher Beratung und individueller Gewissensentscheidung die Kommunion zu empfangen.
Mit dieser pastoralen Praxis kann selbst Kardinal Woelki – wie mehrfach von ihm zu hören war – leben, kämpft aber – für mich nicht nachvollziehbar – dagegen, diese Möglichkeit ins Wort zu heben. Redlicher wäre es auf jeden Fall, als gewissermaßen in einer Doppelmoral zu verbleiben: höchste Ansprüche für einen Kommunionempfang zu erheben oder dessen Unmöglichkeit zu behaupten, zugleich aber von unzähligen Ausnahmen zu wissen und diese ohne weiteres zu tolerieren.
Da die Bischöfe über Jahrzehnte nicht in der Lage waren oder – wie auch jetzt wieder – ausgebremst wurden, hilfreiche und verantwortbare Lösungen zu finden, hat sich offenbar ein Paradigmenwechsel vollzogen, scheint die Zeit, wo man noch Regeln verstanden und beachtet hat, vorbei zu sein, sind viele nicht mehr gewillt, sich danach zu verhalten, sondern suchen sich ihre eigenen Lösungen. Dazu aber brauchte man statt Verboten eher Leitsätze, Empfehlungen und Orientierungshilfen, die Wege aufzeigen und Gewissen bilden. Wenn das jedoch verhindert wird, bleibt nur noch die Ermunterung von Papst Franziskus in diesem Zusammenhang übrig: »Sprecht mit dem Herrn und geht weiter!«
Ein ähnlicher Konflikt mit der Begründung, es würde sich um ein Thema handeln, »das den Glauben der Kirche berührt und von weltkirchlicher Relevanz ist«, hätte sich auch beim Wort der deutschen Bischöfe zur Ehe- und Familienpastoral mit den Äußerungen über den möglichen Sakramentenempfang einzelner Personen, die nach einer Scheidung wieder geheiratet haben, entzünden können, ist aber in diesem Zusammenhang erstaunlicherweise ausgeblieben. Wieso ist es jedoch dann hinsichtlich der Konfessionsverschiedenheit zur Eskalation gekommen?
Offensichtlich sind die katholischen Prinzipien des Ökumenismus mit ihrem inklusivistischen Kirchenverständnis und der Überzeugung von einer gestuften Kirchenzugehörigkeit auch 50 Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil manchen immer noch fremd.
Hinzu kommt, dass vielfach die einzelnen Christen aus einer anderen Kirche als »pars pro toto« betrachtet werden und ihnen alles angelastet wird, was man gegen ihre Kirche vorzubringen weiß. Bei einem solchen Schwarz-Weiß-Denken kann es dann auch keine individuellen Lösungen geben. Außerdem werden auf einmal Bedingungen zum Sakramentenempfang erhoben, die man gegenüber den eigenen Gläubigen gar nicht mehr durchzusetzen vermag.
Schließlich ist aber auch davon auszugehen, dass in dieser innerkatholischen Auseinandersetzung nicht allein Glaubens- oder Denkwelten aufeinander stoßen, sondern auch handfeste Interessen und unschöne Methoden im Spiel sind. Opfer von alledem aber sind die betroffenen konfessionsverbindenden Ehen und Familien. Ihnen gilt meine besondere Verbundenheit: Lassen Sie sich nicht entmutigen! Bewahren Sie sich Ihre Liebe und Treue! Vertrauen Sie der Barmherzigkeit Gottes und gehen Sie den Weg, den Christus Ihnen weist!

Dr. Gerhard Feige ist Bischof des Bistums Magdeburg und seit September 2012 Vorsitzender der Ökumenekommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Als solcher war er maßgeblich an der Vorbereitung der umstrittenen Orientierungshilfe beteiligt.

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