Jan Lemke ist Präsident des Landeskirchenamtes
Der Neue kennt sich aus

Seit September ist Jan Lemke (M.) Präsident des Landeskirchenamtes. Den Segen für das Amt erhielt er von Landesbischof Friedrich Kramer (links) sowie durch Lemkes Stellvertreter, Oberkirchenrat Stefan Große, und Braunschweigs Oberlandeskirchenrat Jörg Mayer. Im Hintergrund (l.): Liturgin Jutta Noetzel, Senior des Reformierten Kirchenkreises | Foto: Paul-Philipp Braun
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  • Seit September ist Jan Lemke (M.) Präsident des Landeskirchenamtes. Den Segen für das Amt erhielt er von Landesbischof Friedrich Kramer (links) sowie durch Lemkes Stellvertreter, Oberkirchenrat Stefan Große, und Braunschweigs Oberlandeskirchenrat Jörg Mayer. Im Hintergrund (l.): Liturgin Jutta Noetzel, Senior des Reformierten Kirchenkreises
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Herr Präsident: Jan Lemke ist Familienvater, Volljurist und lange Jahre ehrenamtlich in der Kirche tätig. Er wird für die nächsten zehn Jahre die Geschicke des Landeskirchenamtes der EKM lenken.

Von Paul-Philipp Braun 

Eine Dekade kann eine lange Zeit sein, wenn sie nur abgesessen wird. Wer währenddessen aber etwas vorhat, etwas gestalten, bewegen und vielleicht sogar verändern will, für den erscheinen zehn Jahre schon fast übersichtlich und kurz. Vor Jan Lemke scheint diese Zeit dennoch aktuell noch wie ein großer Berg zu liegen. Seit dem 1. September leitet er als Präsident das Landeskirchenamt der EKM. Am 3. September, zwei Tage nach dem Amtsantritt, wurde er beim Gottesdienst im Augustinerkloster eingeführt. "Das war ein sehr bewegender Tag", sagt der Neue am Montag darauf und freut sich, dass neben allerlei Vertretern der eigenen Kirche auch Erfurts katholischer Bischof Ulrich Neymeyr und Vertreter aus den Landesparlamenten in Magdeburg und Erfurt an Gottesdienst und Empfang teilnahmen.

Aber Kirche und Politik ist etwas, das Jan Lemke auch zukünftig zusammen denkt. "Der gesamtgesellschaftliche Friede ist auch von dem Miteinander der Volksvertreter und der Kirche abhängig", sagt er und führt zum Thema die Staatskirchenleistungen an. Er sei überzeugt, dass die Diskussionen darüber seine Amtszeit begleiten werden. In seiner Erwiderung auf die Grußworte bei der Amtseinführung betonte er zudem, dass die Staatsleistungen "auch eine wirklich gute und nachhaltige Investition in den gesamtgesellschaftlichen Frieden" seien.
Herausforderungen kennt und schätzt Jan Lemke jedoch schon lange – spätestens seit seiner Studienzeit. So studierte er nicht nur Jura in Trier und Kiel, sondern beschäftigte sich nebenbei auch noch mit Japanologie. Drei, fast vier Semester lang habe er neben dem aufwendigen Studium der Rechtswissenschaften auch versucht, die mehr als 1200 japanischen Schriftzeichen, deren Bedeutung und die Literatur dazu zu erlernen. Als er für seine Spezialisierung die Universität wechselte, gab er es wieder auf.

Ich war immer gerne Richter. Aber die weite Welt der Kirche reizt mich auch sehr.

Stattdessen wurde nun die friesische Philologie sein neues Zweitfach und sein heimliches Steckenpferd. Selbst seine Promotion verfasste er zu einem Thema, das die Juristerei und das Friesentum verband: die Rolle der Minderheiten in der neuen Landesverfassung Schleswig-Holsteins. Lemke, der sein Gegenüber auch im Büro des Landeskirchenamtes in der Erfurter Michaelisstraße am liebsten mit einem kräftigen "Moin" begrüßt, und der 1995 eher durch Zufall im Gebiet der Kirchenprovinz Sachsen (KPS) landete, ist eben ein echter Norddeutscher.
Ein Vorteil, der ihm, so meint er heute, sicher auch beim Ankommen bei den ebenfalls wortkargen Märkern im sachsen-anhaltischen Norden geholfen habe. Dort verbrachte der heute 54-Jährige einen nicht unerheblichen Teil seiner Berufszeit. Als Richter fand er im Land der Frühaufsteher seine erste Berufung, war unter anderem für Jugendstrafsachen in Wolmirstedt und am Landgericht in Magdeburg zuständig.

Rede von Präsident Jan Lemke zu seiner Amtseinführung

Liebe Anwesende von nah und fern, geehrte Damen und Herren leitende Geistliche, Frau Kirchenpräsidentin Wüst, Herr Bischof Dr. Neymeyr, Herren Minister Maier und Tullner, Präsident Dr. Anke, Herr Präses Lomberg, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Landeskirchenämtern, den Kirchenkreisen und Gemeinden, liebe Schwestern und Brüder !
Ich bin bewegt und gerührt von einer so freundlichen Aufnahme. Und ich danke Ihnen von Herzen für die großartige Musik, die vielen warmen Worte, die guten Hinweise und auch die liebevollen Gaben! Aber:
Ich habe doch noch gar nichts gemacht! Und trotzdem bin ich heute mit so viel freundlichen Worten und Lob bedacht worden, schenken Sie mir schon so viel Vertrauen, das ich mir doch erst noch verdienen muss.

Ich muss meine Gedanken erst noch sortieren. In Anlehnung an Sepp Herberger trifft es wohl zu, dass die nächste Rede immer die schwerste ist, besonders, wenn sie nicht 90 Minuten dauern soll. Als leitender Jurist der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland stehe ich unter dem Druck der Erwartung, Strategien auszudenken, Lösungen zu entwickeln, Hindernisse zu beseitigen, kurz: Verbesserungen zu bewirken und Verschlechterungen abzuwenden. Und das alle möglichst schnell aber durchdacht, durchsetzungsstark aber behutsam, deutlich aber empathisch. Ein nicht unkompliziertes Vorhaben.
Vielleicht sollte ich mit einem Exkurs beginnen.
Als Jurist kommt man ja nicht zur Welt. Denkt man.
Tatsächlich sind Juristen aber Teil der Schöpfung. Zwar sind sie in der biblischen Kanonisierung unerwähnt geblieben. Aber Heinrich Heine ist es zu verdanken, dass er den Prozess der Schöpfung in einigen Bereichen detaillierter herausgearbeitet hat, so auch hierzu – dem einen oder der anderen mag es bekannt sein, aber zum Hintergrund dieses Schöpfungsliedes will ich noch sagen, dass der Teufel sich darüber lustig gemacht hat, dass Gott doch nur sich selbst kopiert habe, zwischen den Zeilen lassen sich die Vorwürfe der Ideenlosigkeit und der Pfuscherei herauslesen; darauf antwortet Gott:
Kaum hab’ ich die Welt zu schaffen begonnen,
In einer Woche war’s abgethan.
Doch hatt’ ich vorher tief ausgesonnen
Jahrtausendlang den Schöpfungsplan.

Das Schaffen selbst ist eitel Bewegung,
Das stümpert sich leicht in kurzer Frist;
Jedoch der Plan, die Ueberlegung,
Das zeigt erst wer ein Künstler ist.

Ich hab’ allein dreyhundert Jahre
Tagtäglich drüber nachgedacht,
Wie man am besten Doctores Juris
Und gar die kleinen Flöhe macht.

So sind Juristen entstanden. Besonders Promovierte. Und Heines Kontext mit den Flöhen legt einen engen Zusammenhang mit Eigenschaften wie „ärgerlich“ und „lästig“ nahe, vom „Blut saugen“ als Überlebensstrategie einmal ganz abgesehen. Aber es gibt auch Unterschiede. Flöhe sind humorlos. Juristen nur manchmal. Und wenn Juristen Humor zeigen, dann logischerweise – bedingt durch die von ihnen bearbeitete Materie – einen trockenen. Ich will Sie jetzt gar nicht desillusionieren. Aber Sie müssen ja wissen, womit Sie bei einem leitenden Juristen als Teil der Schöpfung rechnen müssen.
Gleichwohl hoffe ich, meiner Kirche auch nützlich sein zu können.

Denn in der Kirche sind ja nicht die besseren Menschen. Übrigens auch nicht die, die sich das einbilden.
In der Kirche habe ich vielmehr – meistens jedenfalls - Menschen getroffen, die sich sehr genau dessen bewusst sind, dass sie ihre Schwächen und Fehler haben, die auch wissen, dass sie sich zwar Mühe geben können, diese zu beheben, aber es letztlich nie erreichen können. Und in diesem Wissen gehen sie auch mit anderen Menschen um, gestehen ihnen Schwächen und Fehler zu, ohne sich selbst über sie zu erheben. Und sie können sich auch Gott mit ihrer eigenen Schuld anvertrauen. Dahinter steht das Vertrauen darauf, dass getrost sich selbst und andere in allen Unzulänglichkeiten tolerieren und akzeptieren kann, wer seine Existenz darauf zurückführt, von Gott gewollt und geliebt zu sein, genauso wie die fehlerbehafteten Mitmenschen.

Die Kirche bringt solche Menschen zusammen, schafft den Raum für Begegnungen und den Austausch, wirft die Frage auf, wie die Einzelnen mit sich, ihren Mitmenschen und Gott ins Reine kommen können und bietet Raum für die verschiedensten Antworten darauf, in der Seelsorge, in der Diakonie als praktizierter Nächstenliebe, in der Bildung, damit die Seele sprechen lernt, und in der Gemeinschaft mit anderen, um sich gegenseitig Kraft zu geben. Und ich möchte dabei helfen, die Wirksamkeit der Kirche dafür zu erhalten.

Ganz nebenbei verankert die Kirche damit übrigens die Voraussetzungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens wie Toleranz, Demokratiefähigkeit und Solidarität in der Gesellschaft und trägt auch dort zum Zusammenhalt und zur Stabilität gesellschaftlicher Strukturen bei, wo Christen in der Minderheit sind. Deswegen werden Sie es verstehen, wenn ich sage: Die sogenannten „Staatsleistungen“ entspringen nicht nur einer rechtlichen Verpflichtung, sondern sind aus der Sicht der Länder auch eine wirklich gute und nachhaltige Investition in den gesamtgesellschaftlichen Frieden.
Von daher hat auch die besondere Stellung der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts ihre volle Berechtigung.

Rein zufällig passt die heutige Tageslosung aus Psalm 33 zu dieser Erkenntnis:
„Die Erde ist voll der Güte des Herrn“.
Das ist wahr. Und ich will auch mithelfen, dass diese Erkenntnis sich durch unsere Kirche verbreitet und mehr Menschen die Güte des Herrn erkennen, so voll die Erde davon ist.
Ich bin nicht sicher, ob die Güte des Herrn auch Flöhe und Doctores Juris umfasst - das mögen die Theologen entscheiden und ich beschränke mich hier als Jurist auf mein Fach.
Vielleicht sind Flöhe und Juristen auch nur die Ausnahmen, die die Regel von der Güte des Herrn bestätigen. Als Jurist möchte ich für diesen Fall aber versichern, dass ich mich der Güte des Herrn nicht in den Weg stellen will. Für Flöhe kann ich nur bedingt sprechen. Ich bin damit am Ende des Exkurses. Und der Rede.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Mit dem Wechsel aus der weltlichen Gerichtsbarkeit in die kirchliche Verwaltung vollzog sich Anfang 2020 jedoch eine erste Zäsur für den Vater zweier Töchter. "Ich war immer gerne Richter. Aber die weite Welt der Kirche reizt mich auch sehr", sagt er, der für ein Jahr und acht Monate die Rechtsabteilung der Landeskirche Braunschweigs leitete. Schon zuvor hatte Jan Lemke sich ehrenamtlich in der Kirche engagiert, er war Gemeindekirchenrat, gehörte unter anderem der Föderationssynode der KPS und der thüringischen Landeskirche und später auch der Landessynode der EKM an. Er kennt sich aus im Kreis der Kirchen.
Von Braunschweig ging es dann nach Thüringen, zunächst nur für ihn. "Ein großer Umzug hätte die Abiturvorbereitungen unserer jüngsten Tochter zu sehr behindert", sagt Jan Lemke, der eine kleine Wohnung in der Erfurter Innenstadt bezogen hat. Nur wenige Meter sind es von dort aus bis zum Collegium maius ins Büro. Geplant ist allerdings, dass er und seine Frau den Lebensmittelpunkt perspektivisch in die thüringische Landeshauptstadt verlegen wollen.

Der musikalischer Gruß 

des Superintendenten-Konvents zur Einführung von Präsident Jan Lemke

(Melodie „Wohl denen, die da wandeln“)

Propst Stawenow lässt grüßen
Mit dem Auslaufmodell.
Noch liegen ihm zu Füßen –
Das sagt er jetzt noch schnell –
Der Luther, Müntzer, Eckhart Bach,
Trostorgel, Augustiner,
Nordhäuser Doppelkorn.

Die Propstei der vier Länder,
einst kurfürstlicher Sitz,
Lieder, so lang wie Bänder,
kühle Weine in der Hitz‘,
das bietet Halle-Wittenberg,
und einen Dom, tausend Jahre,
der steht in Merseburg.

Im Süden sind die Seelen,
viel Grün, viel Wald, viel Land.
Auch wenn wir heute fehlen,
hab`n wir den Vers gesandt.
Nicht nur zum Perspektivgespräch
woll´n wir dich bei uns sehen.
Wir trinken auf dein Wohl!

Von Jeetze bis zum Brocken,
vom Fläming bis zur Grenz.
Das sind wir aus dem Norden,
sieben Kreise hier sind´s.
Die Landeshauptstadt mittendrin,
viel Wälder und auch Wiesen,
Kirchen alt und schön.

Herr Präsident, wir wünschen,
bleib Du in Gottes Hand.
Spür seinen Wind im Rücken,
ein festes Glaubensband.
Sein Segen möge um dich sein
und immer Kraft dir geben,
in deinem neuen Amt.

Nicht nur eine Verwaltungsfrau
Autor:

Paul-Philipp Braun

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