Schulprojekte aus Merseburg und Gotha als Erste Preisträger
Werner-Sylten-Preis für christlich-jüdischen Dialog wird verliehen

Die Preisträger des Werner-Sylten-Preises für christlich-jüdischen Dialog 2020 sind das Domgymnasium Merseburg für das Projekt „Interreligiöser und interkultureller Brückenbau“ und die Evangelische Regelschule Gotha für das Projekt „Jüdischer Friedhof Gotha – ein Ort des Lebens?“. Den Zweiten Preis erhält der Verein „Eisleber Synagoge e.V.“. Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) vergibt die Preise zum vierten Mal. Die Preisverleihung sollte ursprünglich zum Tora-Lerntag am 27. Januar in Erfurt stattfinden. Wie sie nun erfolgt, wird noch geklärt.

Am Domgymnasium Merseburg treffen sich seit 2016 jährlich Jugendliche des Evangelischen Kirchenkreises Merseburg und der Yitzhak-Rabin-Highschool Tel Mond (Israel) durch ein Deutsch-Israelisches Austauschprogramm. Die Jugendlichen verbringen zusammen eine Woche in Israel und eine Woche in Deutschland. Der Austausch trägt dazu bei, interreligiöse und interkulturelle Brücken zu bauen und den Jugendlichen ein Bewusstsein für die besonderen Beziehungen der beiden Länder zu vermitteln. Die unterschiedlichen Perspektiven der Jugendlichen auf gesellschaftliche, politische und religiöse Probleme sollen zur Sprache gebracht werden. Die Jury würdigt das große persönliche Engagement, das nötig ist, einen nachhaltigen Schüleraustausch zwischen Deutschland und Israel aufzubauen und zu pflegen, der konsequent auf Begegnung baut. Das Projekt ermöglicht – auch durch die Einbeziehung arabischsprachiger Christen – einen vielfältigen Blick auf die deutsch-israelischen Beziehungen und wirkt in die Gesellschaft hinein.

In Gotha sieht die Evangelische Regelschule eine wichtige Aufgabe darin, Spuren der Vergangenheit zu entdecken, um Zukunft zu gestalten. Forschungsaufträge über jüdische Familien, die in Gotha lebten, gehören seit Jahren zum regulären Plan des Religionsunterrichtes in Klasse 7. Im mit dem Werner-Sylten-Preis ausgezeichneten Projekt sind Schülerinnen und Schüler den Spuren auf dem jüdischen Friedhof nachgegangen. Dabei wurde fächerübergreifend gearbeitet und am Ende entstand ein Film. Damit wird der Friedhof als Ort des Gedenkens – als Denkmal – ins Bewusstsein geholt. Der Friedhof war zuletzt in den Jahren 2004 und 2008 massiven Schändungen ausgesetzt. Aus Sicht der Jury greift das Projekt „Jüdischer Friedhof“ mutig zwei Themenkomplexe auf, die für Jugendliche nicht leicht sind: Tod/Sterben und das christlich-jüdische Verhältnis. Das Projekt wirkt durch verschiedene Impulse in die Gesellschaft hinein.

Der Verein „Eisleber Synagoge e.V.“ bemüht sich seit seiner Gründung im Jahr 2001 darum, Bürger und Gäste an das einst blühende jüdische Leben in der Lutherstadt Eisleben und im heutigen Landkreis Mansfeld-Südharz zu erinnern. Die Mitglieder betreiben regionalgeschichtliche Forschung zur Geschichte des Judentums in der Stadt und der Region. Zu den Aktivitäten gehören die Verlegung von Stolpersteinen für die verfolgten und ermordeten jüdischen Eisleber, Ausstellungen und Bildungsveranstaltungen sowie Projekte für Schülerinnen und Schüler zu Themen der jüdischen Geschichte. 2010 erwarb der Verein das 1938 enteignete, entweihte und geschändete Gebäude und das Grundstück der einstigen Synagoge und bemüht sich seitdem um die Sicherung und Rekonstruktion des Gebäudes. Das Haus soll die vorhandenen Spuren der einstigen Synagoge bewahren, Museum und kulturelles Begegnungszentrum werden. Die Jury würdigt die breit vernetzende Arbeit des Vereins, welcher die Bewahrung der Synagoge mit Bildungsarbeit verzahnt und sich dabei bewusst mit dem Antijudaismus des berühmtesten „Sohnes der Stadt“, Martin Luther, auseinandersetzt.

Hintergrund:

Mit einem Beschluss der 2. Landessynode hat sich die Landeskirche verpflichtet, jeder Form von Antisemitismus zu widersprechen, in Lehre und Leben das religiöse Selbstverständnis des Judentums zu achten, für Religionsfreiheit einzustehen und der Entrechtung, Diskriminierung und Zerstörung jüdischen Lebens entgegenzutreten sowie den Reichtum der jüdischen Schriftauslegung wahrzunehmen und sich mit antijüdischen Interpretationen der Bibel auseinanderzusetzen. In der Folge wurde der Werner-Sylten-Preis ins Leben gerufen. Mit ihm werden Projekte ausgezeichnet, die die Selbstverpflichtung im Raum der Landeskirche umsetzen.

Werner Sylten war ein evangelischer Theologe, der 1936 wegen seiner jüdischen Abstammung aus dem Pfarrdienst entlassen wurde. Er half mit, das Leben von mehr als tausend „nichtarischen“ Christen zu retten. 1942 ermordeten ihn die Nazis. 1979 wurde ihm von der Gedenkstätte „Yad Vashem“ der Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ verliehen.
Die Tora-Lerntage finden seit 2014 jährlich im Januar wechselnd zwischen Halle/S. und Erfurt statt. Veranstaltet werden sie vom Beirat für christlich-jüdischen Dialog unter Leitung von Pfarrer Teja Begrich aus Mühlhausen, dem Beauftragten der EKM für den christlich-jüdischen Dialog.

Autor:

susanne sobko

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