Feldpost aus dem Nordirak

Dieser Feldpostbrief erreichte die Redaktion in den vergangenen Tagen.

Von Christian P. Kahlert

Seit November begleite ich als evangelischer Militärseelsorger deutsche Soldatinnen und Soldaten bei ihrer Ausbildungsmission im Nordirak, Autonome Region Kurdistan. Das Multinationale Camp, in dem 140 Bundeswehrangehörige leben und arbeiten, befindet sich auf dem Flugplatzgelände der 1,4 Millionen Einwohner zählenden Stadt Erbil. Außer uns leben auch Skandinavier und Niederländer in dem Camp.
Aufgabe ist es, Peschmerga-Kämpfer und auch christliche und jesidische Milizen für ihren Einsatz gegen den »Islamischen Staat« (IS) auszubilden. Nur 60 Kilometer westlich tobt die Schlacht um Mossul. Noch ist kein Ende abzusehen.
Die Not ist groß: Auf 5,5 Millionen Kurden kommen eine Million Flüchtlinge. Besonders leiden religiöse Minderheiten. Seit dem 1. Jahrhundert nach Christus leben hier katholische und orthodoxe Christen. In den letzten zehn Jahren sank ihr Anteil an der Bevölkerung von 8 auf 0,5 Prozent. Sie selbst befürchten das endgültige Aus ihrer Kirchen im Irak.
Werden die 100 000 geflohenen irakischen Christen in ihre Wohnungen und Häuser zurückkehren? Ganze Dörfer sind zerstört, die Kirchen entweiht und vermint, privates Eigentum von arabischen Nachbarn übernommen. In Alqosh, 30 Kilometer nördlich von Mossul, trafen wir auf die Künstlerin Basima al Safar. Nicht mehr ganz jung, aber eine streitbare Christin im wahrsten Sinne des Wortes. Alle Außenwände ihres Anwesens bemalte sie mit überlebensgroßen Szenen aus der Bibel: Die Heiligen Drei Könige auf dem Weg zur Krippe, Christus, der gute Hirte, das letzte Abendmahl. Ihr Hoftor aber schmückte sie mit dem Symbol des ewigen Friedens: der weißen Taube mit dem Ölzweig im Schnabel.
Vor zwei Jahren waren alle Einwohner vor den Horden des IS geflohen. Die Front war nur zehn Kilometer entfernt. Basima kehrte als Erste aus den Bergen in die Geisterstadt zurück. Ihr Plan, ein christliches Frauen-Bataillon aufzustellen: »Gebt uns Maschinengewehre, gebt mir einen Panzer!« Lieber wolle sie in ihren Mauern sterben als in einem Flüchtlingslager. Für Christen aus Deutschland unvorstellbar! Auch der katholische Patriarch Louis Raphael I. Sako bat kürzlich auf seiner Europareise nicht nur um wirtschaftliche, sondern auch um militärische Unterstützung.
Am Ersten Christtag unterstützten die Soldaten eine Hilfsaktion des Menschenrechtszentrums Cottbus. Es ging darum, 1 000 Hilfspakete für christliche, jesidische und muslimische Flüchtlinge nach Alqosh zu bringen. In einem gemeinsamen Gottesdienst feierten wir dort das Fest von Christi Geburt, aßen gemeinsam, sangen deutsche und aramäische Weihnachtslieder.
Man kann darüber streiten, ob die Ausbildungsmission der Bundeswehr im Nordirak sinnvoll ist oder nicht. Die Menschen hier sind dankbar und glücklich, dass die Weltgemeinschaft sie nicht ganz vergisst.

Christian P. Kahlert ist evangelischer Militärpfarrer im Camp Stephan in Erbil.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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